Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
1. Vollstreckungsantrag/Rechtsschutzbedürfnis.
Rn 8
Die Festsetzung von Zwangsmitteln erfordert einen ordnungsgemäßen Vollstreckungsantrag des Gläubigers an das Prozessgericht des ersten Rechtszuges. Dafür besteht Anwaltszwang, soweit § 78 dies erfordert (str). Der Antrag muss erkennen lassen, dass der Gläubiger nach § 888 vorgehen will, wobei keine zu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen (München MDR 03, 53; zur Umdeutung in Bezug auf § 887 vgl die dortige Kommentierung und in Bezug auf § 890 München MDR 03, 53 [bejahend] sowie München OLGR München 00, 86 [abl]). Die geforderte Handlung muss im Antrag so genau wie möglich bezeichnet werden, der Antrag also hinreichend bestimmt sein. Hingegen sind weder Art noch Maß des Zwangsmittels zu nennen (Köln MDR 82, 589; LAG Hamburg AE 12, 116). Eine etwaige Angabe stellt lediglich eine Anregung dar (München NJW-RR 92, 704) und setzt keinen Zwangsrahmen nach § 308 I (aA Zö/Seibel Rz 4). IÜ ist das Gericht aber an den Antrag des Gläubigers nach § 308 I gebunden. Der Antrag darf nicht ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein (für ein Bsp LAG Köln 18.7.18 – 7 Ta 49/18, Rz 11 ff).
Rn 9
Die Rücknahme des Antrags (str, ob § 269 analog gilt; dagegen KG NJW-RR 87, 192: Kostenentscheidung nach § 788) ist bis zur Rechtskraft des Beschl möglich (Ddorf InstGE 9, 56 mwN). Es fehlt insb nicht, wenn wegen unbekannten Aufenthalts des Schuldners sämtliche Entscheidungen im Erkenntnisverfahren nach § 185 Nr. 1 zugestellt wurden (BGH NJW 13, 2906 [BGH 14.08.2013 - I ZB 76/10]).
2. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen.
Rn 10
Das Gericht prüft ferner die allg Vollstreckungsvoraussetzungen. Der Titel muss sich auf eine unvertretbare Handlung richten und hinreichend bestimmt sein (Celle AGS 14, 306 [OLG Celle 04.04.2014 - 4 W 55/14]). Der Titel muss die geschuldete Handlung vorsehen (München ZEV 21, 580 [OLG München 09.08.2021 - 33 W 775/21], Rz 9 – lautet der Titel auf die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses, ist damit nicht ohne Weiteres auch schon das Anwesenheitsrecht des Pflichtteilsberechtigten nach § 2314 I 2 BGB enthalten).
Rn 10a
Ein Titel ist hinreichend bestimmt, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnet (BayObLG 22.4.21 – 101 ZBR 109/20, Rz 44). Es muss der Umfang dessen, was der Schuldner auf seine Verurteilung hin zu leisten hat, allein aus dem Titel, bei Entscheidungen allein aus der Formel erkennbar sein (München ZEV 21, 580 [OLG München 09.08.2021 - 33 W 775/21], Rz 9). Der Titel ist der Auslegung zugänglich. Das Konzept der Auslegung ist jedoch nicht grenzenlos – das Verfahren nach § 888 dient nicht der Feststellung des zu vollstreckenden Anspruchs, sondern allein der Vollstreckung des im Erkenntnisverfahren festgestellten Anspruchs; aus dem Titel nicht zu klärende Unbestimmtheiten müssen im Erkenntnisverfahren geklärt werden, nicht im Vollstreckungsverfahren (BayObLG 22.4.21 – 101 ZBR 109/20, Rz 48). Handlungen, die im Urteilstenor keinen Niederschlag gefunden haben, können im Wege der Zwangsvollstreckung nicht erzwungen werden und auch für materiell-rechtliche Erwägungen außerhalb des Erkenntnisverfahrens ist im Zwangsmittelverfahren kein Raum (Ddorf 9.8.21 – 2 W 15/21, GRUR-RS 21, 22988, Rz 10).
Rn 10b
Beispiele zur Bestimmtheit aus der Rspr: BGH MDR 14, 617: ein Vollstreckungstitel über die Auskunft hinsichtlich getätigter Verkäufe des Schuldners ist dahingehend auszulegen, dass auch entspr Geschäfte eines Tochterunternehmens des Schuldners erfasst sind; Zweibr FamRZ 04, 1224: zu unbestimmt ›Auskunft in geeigneter Weise zu belegen‹; BAGE 130, 195, Rz 19 f zur Bestimmtheit eines Titels iHa die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers und zu den Grenzen der Heranziehung weiterer Unterlagen; LAG Hessen 21.3.19 – 8 Ta 22/19, Rz 13 f zur Bestimmtheit eines Titels iHa die Art der Weiterbeschäftigung; LAG Hamm ArbR 19, 398 [LAG Hamm 24.06.2019 - 12 Ta 184/19] zur fehlenden Bestimmtheit bei Verpflichtung zur Abrechnung noch nicht gezahlter Entgelte; BAG NZA 20, 542, 544 [BAG 05.02.2020 - 10 AZB 31/19], Rz 24 zur fehlenden Bestimmtheit hinsichtlich der Art der Weiterbeschäftigung; ArbG Stuttgart 4.6.21 – 15 Ca 6733/19, Rz 15 – Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers als ›Engineering Program Manager‹: hinreichend bestimmt; BayObLG 22.4.21 – 101 ZBR 109/20, Rz 44 – zur (unzureichenden) Bestimmtheit von Anträgen zum Auskunfts- und Einsichtsrecht nach §§ 51a, 51b GmbHG. Die rechtliche Zulässigkeit der geschuldeten Handlung spielt im Verfahren nach § 888 keine Rolle (München FamRZ 92, 1207, 1208; Frankf NJW 53, 1029, 1030).