Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 25
Der doppelte präventive und repressive Zweck des Ordnungsmittels rechtfertigt einen umfangreichen Katalog von Faktoren bei der Bemessung des Ordnungsgelds. Der repressive Aspekt rechtfertigt es, gerade den Schuldner und sein Verhalten in den Blick zu nehmen (KG 9.2.22 – 5 W 158/21 = WRP 22, 877, Rz 45). Bei der Auswahl des Ordnungsmittels sowie der Höhe des Ordnungsgelds berücksichtigt das Gericht – va aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – die Umstände des Einzelfalls, insb Art, Umfang, Intensität und Dauer des Verstoßes sowie die Gefährlichkeit der begangenen und etwaigen künftigen Verletzungen für den Schuldner, den Verschuldensgrad, die Vorteile des Schuldners aus der Zuwiderhandlung und die Folgen für den oder die Gläubiger sowie den Zweck der Ordnungsmittel und weitere relevante Umstände des Einzelfalls (BGHZ 156, 335, 349; BGH NJW 94, 45, 46; Saarbr 19.8.09 – 5 W 181/09; Karlsr MD 15, 878, Rz 7; Köln GRUR-RR 18, 219, Rz 25; LG Berlin K&R 16, 369; 16.11.22 – 97 O 89/15; LG Magdeburg 16.11.15 – 7 O 399/15; LG Karlsruhe GRUR-RR 17, 464, Rz 24; Dresd ZAP ENNr 555/2018; KG MD 19, 581, Rz 46; LG Hannover MD 19, 323, Rz 5; Schlesw 2.10.20 – 16 W 77/20; Frankf WRP 21, 795 [OLG Frankfurt am Main 18.03.2021 - 6 W 8/18], Rz 17; 27.1.22 – 26 W 25/21, Rz 30; KG 9.2.22 – 5 W 158/21 = WRP 22, 877, Rz 45; LG Dortmund 22.5.22 – 10 O 45/18, Rz 12). Zur Wahrung der präventiven Funktion des Ordnungsgeldes hat das Gericht dieses der Höhe nach in der Weise festzusetzen, dass sich eine Titelverletzung aus der Sicht des Schuldners ›nicht lohnt‹ (BGHZ 156, 335, 349; BGH 8.12.16 – I ZB 118/15 = GRUR 17, 318, Rz 19; NJW 94, 45, 46; Oldbg K&R 14, 443; Saarbr 19.8.09 – 5 W 181/09). Der Zweck des § 890 erfordert grds die Verhängung empfindlich hoher Beträge (Kobl WRP 19, 789 [OLG Frankfurt am Main 12.02.2019 - 11 U 156/17], Rz 10; LG Kiel 31.7.20 – 6 O 351/15, Rz 51; Frankf NJW-RR 20, 1195, Rz 17; LG Trier 29.7.21 – 7 HK O 9/21). Wenn sich die Beanstandungen des Gläubigers an der Verpflichtungserfüllung durch den Schuldner nur als teilweise zutreffend erweisen, muss dies nicht zu einer teilweisen Abweisung des Zwangsmittelantrags führen, sondern kann über die Höhe des Zwangsgelds berücksichtigt werden (Ddorf 21.1.16 – 15 W 12/15, Rz 4). Bei mehreren Verstößen gegen einen Unterlassungstitel können die Vorschriften über die Gesamtstrafenbildung nach §§ 53 ff StGB entspr angewendet werden (Karlsr 21.8.20 – 16 WF 116/20, krit Cirullies/Cirullies FamRB 21, 152).
Rn 25a
Es sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu berücksichtigen (BGH WM 17, 236; Frankf WRP 21, 795, Rz 17). Zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners kann eine Anzahl von Tagessätzen in bestimmter Höhe verhängt werden (Frankf 22.6.17 – 6 W 49/17; WRP 21, 795, Rz 19). Entspr § 40 StGB können die hierzu entwickelten Grundsätze zur Ermittlung der Tagessatzhöhe herangezogen werden (BGH GRUR 17, 318 [BGH 08.12.2016 - I ZB 118/15], Rz 19 ff; Dresd 6.6.18 – 4 W 375/18 LS 1 u 2; Frankf WRP 21, 795 [OLG Frankfurt am Main 18.03.2021 - 6 W 8/18], Rz 19; 12.1.22 – 6 W 106/21 = WRP 22, 339, Rz 22). Zur Höhe, wenn der Schuldner mit einer Handlung gegen zwei Titel verstößt s Ddorf GRUR-RR 19, 278. Es besteht keine Verpflichtung des Gerichtes, die Höhe des Ordnungsmittels schematisch am Streitwert des ursprünglichen Unterlassungsverfahrens auszurichten (BGH NJW 94, 45, 46 [BGH 30.09.1993 - I ZR 54/91]; aA Frankf NJW-RR 90, 639 [OLG Frankfurt am Main 02.01.1990 - 22 W 57/89] – bei der ersten Zuwiderhandlung Begrenzung auf 1/20 des Streitwerts).
Rn 25b
Aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Alternativität zwischen Ordnungsgeld und Ordnungshaft ist die kumulative Festsetzung beider Ordnungsmittel unzulässig, nicht aber die konsekutive (bspw LG München GRUR-Prax 16, 287). Es stellt keine unzulässige Doppelbestrafung dar, wenn der Gläubiger aufgrund (teilweise) identischer Lebenssachverhalte zwei Ordnungsgeldanträge stellt, sofern es sich um unterschiedliche Schuldtitel handelt (LAG Düsseldorf 31.3.17 – 13 Ta 242/16, Rz 5). Zur mangelnden Möglichkeit der gemeinsamen Ahndung mehrerer gleichartiger Zuwiderhandlungen aufgrund eines Fortsetzungszusammenhangs s.o. Wenn das Gericht in der Androhung unterhalb des zulässigen Höchstmaßes bleibt, stellt dies kein Teilunterliegen iSd § 92 dar, da die Androhung nicht das Erkenntnisverfahren, sondern bereits das Zwangsvollstreckungsverfahren betrifft (Hambg 18.1.23 – 3 U 24/22, Rz 39).