Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 9
Vor Verurteilung des Schuldners zu einem Ordnungsgeld bzw zur Ordnungshaft muss die Verhängung angedroht werden, § 890 II. Einer Androhung von Ordnungsmitteln ggü einer Behörde bedarf es nicht, da regelmäßig davon auszugehen ist, dass sie, ohnehin an Recht und Gesetz gebunden, einer Unterlassungsverpflichtung nachkommen wird (VG Sigmaringen 17.11.22 – 4 K 2313/22, Rz 32). Den Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln kann allein der Gläubiger stellen, nicht der Schuldner (BGH NJW-RR 18, 960 [BGH 07.06.2018 - I ZB 117/17]). Auf die Androhung als zwingende gesetzliche Voraussetzung können die Parteien nicht wirksam verzichten. IdR spricht das Gericht die Androhung bereits im Vollstreckungstitel aus. Eine Androhung von Ordnungsmitteln innerhalb eines Prozessvergleiches genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil die Androhung als Vorbereitung einer hoheitlichen Maßnahme der Parteiherrschaft entzogen ist und deshalb stets einer richterlichen Entscheidung bedarf (BGH WRP 14, 861 [BGH 03.04.2014 - I ZB 3/12]; MDR 12, 1060, 1061; Hambg K&R 14, 533; Brandbg 23.11.15 – 10 WF 125/15, Rz 12; LG Oldenburg VersR 00, 385; Frankf 27.2.20 – 6 W 21/20, Rz 3; LG Bielefeld 4.1.21 – 3 O 91/20; s schon RGZ 40, 413, 415). Auch ein Verzicht auf die Androhung ist nicht im Wege des Prozessvergleichs möglich (Frankf 27.2.20 – 6 W 21/20, Rz 4). Die Androhung muss das Höchstmaß des Ordnungsgeldes nennen, damit dem Vollstreckungsschuldner deutlich wird, mit welchem Ordnungsmittel er maximal rechnen muss (LAG Hamm 13.3.17 – 7 TA 43/17, Rz 28 [§ 23 III 2 BetrVG]). Ergeht der Vollstreckungstitel ohne die Androhung, ist diese gem § 890 II aE auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges nach Anhörung des Schuldners (§ 891 S 2) durch Beschl zu erlassen, welcher dem Schuldner gem § 329 III zugestellt werden muss. Da der separate Androhungsbeschluss den Beginn der Zwangsvollstreckung darstellt (BGH NJW 92, 749, 750 [BGH 16.05.1991 - I ZR 218/89]; NJW 79, 217 [BGH 29.09.1978 - I ZR 107/77]), sind im Zeitpunkt seines Erlasses die allg Vollstreckungsvoraussetzungen (Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Androhungsbeschlusses) zu prüfen (Karlsr InVo 02, 384, 385; BGH WM 16, 2043, Rz 33–35). Erst die Zustellung eines Androhungsbeschlusses nach § 890 II (in Verbindung mit der Abgabe einer notariellen Unterwerfungserklärung) lässt die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen (Köln WRP 15, 623 [OLG Köln 10.04.2015 - 6 U 149/14]; Ddorf GRUR-RR 16, 430). Zuständig für die Androhung sind im Adhäsionsverfahren die Zivilgerichte, nicht das Strafgericht (§ 406b S 2 StPO) (LG Osnabrück 21.11.18 – 1 Qs 60/18).
Rn 9a
Wenn der Schwerpunkt eines Unterlassungsantrags auf einem aktiven Tun liegt und dem Unterlassungsbegehren nicht ausschließlich durch aktives Tun nachgekommen werden kann, ist ein Antrag auf Androhung nach § 890 II unzulässig (BGH 9.7.20 – I ZB 79/19, WM 20, 1826, Rz 20; 17.6.21 – I ZB 68/20 NJW-RR 21, 1146, Rz 11 f; Hamm 15.8.23 – I-7 U 19/23 CR 23, 655, Rz 10).
Rn 10
Der Gläubiger muss sich bei Antragstellung anwaltlich vertreten lassen (Frankf NJW-RR 20, 384, Rz 5). Ein Antrag, der sich auf die Verhängung eines nicht angedrohten Ordnungsmittels richtet, kann in einen Androhungsantrag umgedeutet werden. Ferner kommt die Umdeutung eines verfehlten Zwangsmittelantrages nach § 888 in einen Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln gem § 890 in Betracht (BayObLG NZM 99, 769, 770). Fehlt dem Antrag auf Ordnungsgeld der Hinweis auf eine ersatzweise anzudrohende Ordnungshaft, hat das Gericht diese vAw in den Androhungsbeschluss aufzunehmen (BGH MDR 93, 38 f).
Rn 11
Das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers ergibt sich regelmäßig aus der titulierten Unterlassungs- oder Duldungsverpflichtung sowie der andauernden Möglichkeit der Zuwiderhandlung (BayVGH 16.12.20 – 9 C 20.2277, Rz 13; VGH Kassel NVwZ-RR 06, 531, 535; Frankf InVo 01, 385, 386; Ddorf DStR 16, 269, Rz 125; darüber hinausgehend Bremen NJW 71, 58). Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis ist nicht erforderlich. Der Schuldner muss nicht bereits gegen die titulierte Verpflichtung verstoßen haben (BGH NJW 79, 217 [BGH 29.09.1978 - I ZR 107/77]; Frankf InVo 01, 385 f [OLG Köln 05.10.2000 - 6 W 81/00]; Ddorf DStR 16, 269, Rz 125; Dresd 22.12.20 – 4 W 851/20, Rz 4). Dasselbe gilt für eine im Prozessvergleich titulierte Unterlassungspflicht (BGH MDR 14, 800, 801 [BGH 03.04.2014 - I ZB 3/12]). Das Rechtsschutzbedürfnis wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass zwischen Titel und Androhung eine mehrjährige Zeitspanne liegt (KG NJW-RR 87, 507 [KG Berlin 11.11.1986 - 5 W 5283/86] – 9 Jahre), sich der Schuldner zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet hat (BGH NJW 98, 1138, 1139 [BGH 05.02.1998 - III ZR 103/97]; Köln InVo 01, 36 [OLG Köln 31.03.2000 - 6 U 183/99]; aA Bremen NJW 71, 58) oder der Schuldner eine notarielle Unterlassungserklärung abgegeben hat (BGH WM 16, 2043). Es fehlt nicht am Rechtsschutzbedürfnis, wenn mit ...