Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 28
Alternativ zur Verhängung eines Ordnungsgeldes kann das Gericht den Schuldner wegen einer Zuwiderhandlung zu einer Ordnungshaft von mindestens einem Tag (Art 6 II 1 EGStGB) und höchstens 6 Monaten je Festsetzung (Abs 1 S 1) verurteilen. Der zusätzliche Erlass eines Haftbefehls ist nicht erforderlich, aber möglich (Celle 29.8.23 – 21 WF 64/23, Rz 19 ff = NJW-RR 24, 7). Als Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art 2 II, Art 104 GG) muss die Ordnungshaft dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (BVerfG NJW 18, 531 [BVerfG 03.11.2017 - 2 BvR 2135/09], Rz 8). Bei wiederholter Verhängung von Ordnungshaft aufgrund desselben Vollstreckungstitels darf die Obergrenze des Abs 1 S 2 von insgesamt zwei Jahren nicht überschritten werden. Das Gericht wandelt uU auch ein zunächst verhängtes Ordnungsgeld nachträglich in eine Ordnungshaft um, Art 8 I 1 EGStGB, sofern das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann und eine Festsetzung von Ersatzordnungshaft zunächst fehlt. Eine Vollstreckung hat in diesen Fällen aber zu unterbleiben, wenn sie für den Schuldner eine unbillige Härte darstellen würde (Art 8 II EGStGB; vgl auch Köln OLGZ 89, 475, 476 f). Die Dauer der Ordnungshaft ist stets nach Tagen zu bemessen, Art 6 II 2 EGStGB. Die primäre Verhängung einer Ordnungshaft widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn der (präventive und repressive) Zweck der Ordnungsmittel auch durch Ordnungsgeld erfüllt würde (MüKoZPO/Gruber Rz 34). Wenn der Beugezweck wegen Insolvenz des Schuldners evtl entfallen ist und daraufhin die Ordnungshaft auf die Hälfte der Zeit reduziert wird, ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt (BVerfG NJW-RR 17, 957, Rz 34–36). Aber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners hindert die Vollstreckung der ersatzweise angeordneten Ordnungshaft grds nicht (BGH WM 19, 210). Mangels Qualifizierung der Ordnungsmittel als Kriminalstrafen kommt weder eine Begnadigung des Schuldners in Betracht (allgM, Kobl WRP 83, 575, 576) noch eine Amnestie (Ddorf NJW 55, 506 f; vgl auch § 888 Rn 34). Bei Festsetzung von Ordnungshaft gegen juristische Personen muss der Ordnungsmittelbeschluss den organschaftlichen Vertreter, an dem die Haft vollzogen werden soll, namentlich benennen; zu vollziehen ist die Haft an dem Vertreter, der im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung amtierte (Hamm NJW-RR 16, 1082 [OLG Hamm 15.03.2016 - 4 W 61/15 + I-4 W 17/16]).
Rn 29
Kann das vom Gericht festgesetzte Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden, kommt Inhaftierung durch Ersatzordnungshaft in Betracht, Abs 1 S 1. Diese ist vom Gericht vAw neben dem Ordnungsgeld festzusetzen, selbst wenn sich der Antrag des Gläubigers nicht darauf richtet (BGH NJW-RR 92, 1453, 1454 [BGH 21.05.1992 - I ZR 9/91]). Der Vollzug muss dem Schuldner zuvor angedroht werden (AG Osnabrück 10.1.23 – 26 – M 256/22 = DGVZ 23, 122, Rz 8). Für die Bemessung der Ersatzordnungshaft existieren keine starren Vorgaben; sie muss aber in einem angemessenen Verhältnis zum uneinbringlichen Ordnungsgeld stehen. Daran fehlte es etwa, als die Ersatzhaft für ein Ordnungsgeld iHv (jetzt ca) 3.750 EUR lediglich drei Tage betrug (Frankf GRUR 87, 940). Als Höchstmaß hat das Gericht je Verurteilung auch hier die Grenze des Abs 1 S 1 (6 Monate) zu beachten, weil sich die Vorgabe sowohl auf die primäre als auch die ersatzweise festgesetzte Ordnungshaft bezieht. Gegen juristische Personen des Öffentlichen Rechts kommt entgegen dem Wortlaut eine Verhängung von Ersatzordnungshaft nicht in Betracht, weil dies die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben der Behörde beeinträchtigen könnte (VG Frankfurt/O. 14.9.20 – 5 M 17/20, Rz 23).