Rn 3

Nicht wenige Schuldner unterschreiten langfristig oder dauerhaft die Pfändungsfreigrenzen auf dem Pfändungsschutzkonto. In solchen Situationen sind die komplexen Anpassungsverfahren des pfändungsfreien Guthabenbetrags zu aufwendig. Deswegen eröffnet § 907 I einen stabilen Weg, um das Kontoguthaben insgesamt für einen befristeten Zeitraum pfändungsfrei stellen zu können.

 

Rn 4

Die Vorschrift stellt eine Reihe von Voraussetzungen auf. Das Gericht wird lediglich auf Antrag des Schuldners tätig. Allerdings hat das Vollstreckungsgericht bei Festsetzung von Erhöhungsbeträgen nach § 905 S 2 oder der Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrags nach § 906 III Nr 3 iVm § 905 S 2 auf die Möglichkeit der Antragstellung hinzuweisen. Da diese Hinweispflicht voraussetzt, dass die Anforderungen von § 907 I aufgrund der vom Schuldner vorgelegten Unterlagen erfüllt sein können, ist es für den Schuldner regelmäßig sinnvoll, aufgrund des Hinweises einen entspr Antrag zu stellen. Auch ohne gerichtlichen Hinweis ist die Antragstellung zulässig.

 

Rn 5

Unter zwei einkommensbezogenen Voraussetzungen kommt eine Festsetzung der Unpfändbarkeit von Kontoguthaben in Betracht. Zunächst muss der Schuldner nachweisen, dass dem Konto in den vergangenen sechs Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind, § 907 I 1 Nr 1. Das erste Regelungselement stellt damit auf einen Vergangenheitszeitraum ab. Verlangt werden lediglich ganz überwiegend unpfändbare Beträge. Maßstab für die Unpfändbarkeit ist die Pfändungsgrenze auf dem Pfändungsschutzkonto, nicht an der Quelle (aA HK-PrivatinsolvenzR/Richter § 907 Rz 5). Zwar spiegelt der Kontopfändungsschutz den Pfändungsschutz an der Quelle, doch handelte es sich bei § 907 I um eine von Billigkeits- und praktischen Erwägungen getragene Vorschrift, für die es inzwischen keine Entsprechung im allgemeinen Forderungspfändungsrecht gibt. Geringfügige Überschreitungen der Pfändungsfreigrenzen sind unbeachtlich. Dabei existiert keine feste Grenze, ab wann höhere Zahlungseingänge schädlich sind. Eine prozentuale Festlegung kann nicht erfolgen. Vielmehr hat das Gericht die Schuldner- und Gläubigerinteressen abzuwägen. So können etwa gewisse Einmalzahlungen unberücksichtigt gelassen werden. Bei Nachzahlungen ist entscheidend, welchen Zeitraum sie erfassen. Erforderlich ist für diesen vergangenen Zeitraum eine Nachweisführung. Der Schuldner muss die ganz überwiegende Unpfändbarkeit nachweisen. Dies kann etwa aufgrund von Kontoauszügen erfolgen. Mehrere Einkünfte sind nach Maßgabe von § 850e zusammenzurechnen.

 

Rn 6

Als weitere Voraussetzung muss der Schuldner nach § 907 I 1 Nr 2 die Zukunftsprognose glaubhaft machen, wonach innerhalb der nächsten sechs Monate ganz überwiegend nur die Gutschrift unpfändbarer Beträge zu erwarten ist. An die Prognose sind hohe, aber nicht übertriebene Anforderungen zu stellen. Hier sind die individuellen Verhältnisse des Schuldners maßgebend. Bezieht eine alleinerziehende Person unpfändbare Sozialleistungen und besteht aufgrund der Minderjährigkeit der Kinder auch in den kommenden sechs Monaten keine Erwerbsobliegenheit, dürfte die Voraussetzung regelmäßig erfüllt sein. Gleiches gilt bei einer langjährig erwerbslosen oder dauerhaft erwerbsunfähigen Person mit Einkünften, die unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegen. Zur Glaubhaftmachung sind alle präsenten Beweismittel einschließlich einer eidesstattlichen Versicherung des Schuldners zugelassen, § 294.

 

Rn 7

Eine Anhörung des Vollstreckungsgläubigers wird regelmäßig erforderlich sein. Nach § 907 I 2 ist die Festsetzung abzulehnen, wenn ihr überwiegende Belange der Gläubiger entgegenstehen. Gleichrangige Belange genügen nicht. Auf seiten des Gläubigers ist zu berücksichtigen, inwieweit er auf die Vollstreckung angewiesen ist, um nicht selbst Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Einzubeziehen ist außerdem seine sonstige wirtschaftliche und persönliche Situation, etwa seine Unterhaltslasten. Während nach der bisherigen Regelung in § 850l die Anordnung bei überwiegenden Belangen der Gläubiger versagt werden konnte, ist § 907 I 2 strenger zulasten des Schuldners ausgestaltet. Nach der Novellierung ist die Festsetzung bei überwiegenden Belangen der Gläubiger abzulehnen. Die Anordnung führt zu einem Ruhen der Pfändung. Ihr Rang bleibt gewahrt.

 

Rn 7a

Liegen auf dem Konto mehrere Pfändungen, werden sämtliche Pfändungen von der Anordnung erfasst, denn das Guthaben ist der Pfändung nicht unterworfen. Abgestellt wird damit nicht auf die Einschränkung einer einzelnen Pfändung, sondern auf den Schutz des Guthabens. Bestätigt wird dies auch durch Abs 2, wonach jeder Gläubiger einen Aufhebungsantrag stellen kann. Die erforderliche Interessenabwägung betrifft allerdings nur die Gläubiger, die in dem maßgebenden Zeitraum erfolgreich vollstrecken können.

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