Gesetzestext
Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
A. Allgemeine Grundsätze.
I. Normzweck.
Rn 1
Die Bestimmung ergänzt § 935, in dem sie neben der Sicherungsverfügung auch einstweilige Verfügungen zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässt. Zweck der einstweiligen Regelungsverfügung ist es, den Rechtsfrieden bis zur Entscheidung in der Hauptsache (wieder) herzustellen und zu sichern (ThoPu/Seiler Rz 1; HK-ZPO/Kemper Rz 1).
II. Regelungsverfügung.
1. Verfügungsanspruch.
Rn 2
An die Stelle des zu sichernden Individualanspruchs tritt bei § 940 das zu regelnde streitige Rechtsverhältnis (ThoPu/Seiler Rz 1; Zö/Vollkommer Rz 2). Der Begriff des Rechtsverhältnisses ist ähnl weit auszulegen wie bei der Feststellungsklage iSd § 256 (MüKoZPO/Drescher Rz 5; Musielak/Voit/Huber Rz 3; Schuschke/Walker/Schuschke Rz 3). Hierunter können Dauerschuldverhältnisse (zB Arbeitsverhältnis, Bankvertrag, gesellschaftsrechtliche Rechtsbeziehungen, Mietvertrag), nachbar-, familien- oder erbrechtliche Beziehungen sowie gesetzliche Schuldverhältnisse fallen, aber auch Ansprüche, die sich nur auf einen einzigen Gegenstand beziehen, wie der Anspruch auf sofortige Rückgabe der durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) erlangten Sache (Schuschke/Walker/Schuschke Rz 3). Streitig ist das Rechtsverhältnis, wenn der Verfügungsschuldner Rechte oder Ansprüche des Verfügungsgläubigers bestreitet. Es genügt aber auch, wenn in das Rechtsverhältnis eingegriffen wird oder eine Verletzungshandlung unmittelbar droht (Musielak/Voit/Huber Rz 3).
2. Verfügungsgrund.
Rn 3
Die Regelungsverfügung muss notwendig sein. Trotz des ggü § 935 unterschiedlichen Wortlauts ist auch hier erforderlich, dass für die Verfügung eine Dringlichkeit bzw Eilbedürftigkeit besteht. Hieran fehlt es, wenn dem Verfügungskläger auch mit einer späteren Verwirklichung seines Rechts im ordentlichen Prozessweg gedient ist (St/J/Grunsky Rz 7). Die Dringlichkeit entfällt nach den Grundsätzen der Selbstwiderlegung (§ 935 Rn 4, 10), wenn der Verfügungskläger in Kenntnis der sie rechtfertigenden Umstände untätig bleibt und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst nach längerer Zeit stellt (KG NJW-RR 01, 1201, 1202; KG ZMR 14, 466; Nürnb NJW-RR 19, 105; Köln NJW-RR 19, 1213; Saarbr NJW-Rr 20, 504; MüKoZPO/Drescher Rz 10; ThoPu/Seiler Rz 5; St/J/Grunsky Rz 8). Gleiches gilt, wenn der Antragsteller das Verfügungsverfahren nicht zügig, sondern schleppend betreibt (Teplitzky/Feddersen Kap 54 Rz 24). Dies ist bspw anzunehmen, wenn der Gläubiger vor Erlass der einstweiligen Verfügung ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lässt (Hamm NJW-RR 07, 108) oder eine zweimonatige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist voll ausschöpft (KG DB 80, 1394 [BGH 08.02.1980 - I ZR 22/78]; noch strenger KG MDR 09, 888 [KG Berlin 16.04.2009 - 8 U 249/08] bzgl einer einmonatigen Berufungsbegründungsfristverlängerung). Für die noch hinzunehmende Zeitspanne (regelmäßig bis zu drei Monate, im Wettbewerbsrecht kürzer, hier sind regionale Unterschiede zu beachten: sehr streng München MDR 94, 152, 153 [OLG München 18.03.1993 - 6 U 6756/92]; Nürnbg MDR 03, 533 [ein Monat]) sind die Besonderheiten des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Schwierigkeit tatsächlicher und rechtlicher Art maßgeblich (Musielak/Voit/Huber Rz 4).
III. Leistungsverfügung.
1. Verfügungsanspruch.
Rn 4
Die Rspr lässt über die Sicherung eines Anspruchs und die vorläufige Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses hinaus eine (tw) Befriedigung des Gläubigers dann zu, wenn er auf die unmittelbare Erfüllung so dringend angewiesen ist, dass ein Abwarten des ordentlichen Verfahrens unzumutbar erscheint (BGH NJW 18, 1317 [BGH 11.10.2017 - I ZB 96/16] Rz 35; Brandbg MDR 09, 526, 527 [Zugang zu Internet-Marktplatz]; ThoPu/Seiler Rz 6). Entwickelt wurde die Leistungsverfügung im Unterhaltsrecht, kann nunmehr aber jeden materiell-rechtlichen Anspruch auf Handlung, Duldung oder Unterlassen erfassen (Musielak/Voit/Huber Rz 13). Ansonsten gilt der Grundsatz, dass eine Leistungsverfügung, welche die Hauptsache vorwegnimmt, nicht erlassen werden darf (Ddorf MDR 09, 1035, 1036; Kobl MDR 14, 493).
2. Verfügungsgrund.
Rn 5
Die gebotene Dringlichkeit liegt nur vor, wenn der Gläubiger ohne Erfüllung seines Anspruchs existentiell gefährdet ist und die ihm drohenden Nachteile die des Schuldners überwiegen (vgl Musielak/Voit/Huber Rz 14). Die Grundsätze zur Selbstwiderlegung (§ 935 Rn 4, 10) können auch hier ergänzend herangezogen werden.
B. Sicherungsverfügung, Regelungsverfügung, Leistungsverfügung: Einzelne Rechtsgebiete.
I. Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Rn 6
Der Unterlassungsanspruch gem § 1 UKlaG kann durch einstweilige Verfügung gesichert werden (vgl Ddorf NJW 89, 1487, 1488 [OLG Düsseldorf 29.12.1988 - 6 U 206/88]; Frankf NJW 89, 1489). Beim Verfügungsgrund wird Dringlichkeit gem § 5 UKlaG, § 12 II UWG, widerleglich vermutet (KG NJW-RR 04, 1239 [KG Berlin 15.12.2003 - 23 U 98/03]). Die Grundsätze der S...