[1] Amtlicher Hinweis: Diese Vorschriften dienen der Umsetzung der eingangs zu den Nummern 3, 4, 6, 7, 9 und 11 genannten Richtlinien.

Gesetzestext

 

Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

A. Gesetzesgeschichte und normative Grundlagen.

I. Gesetzesgeschichte.

 

Rn 1

Die Einführung der §§ 13, 14 durch Art 2 Nr 1 des am 27.6.00 verkündeten Gesetzes über ›Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherschutzrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro‹ (BGBl 00 I 897) stellte einen der ersten Schritte einer Integration des Verbraucherschutzrechts in das BGB dar. Nationale Vorläufer der §§ 13, 14 waren die §§ 24, 24a AGBG sowie die §§ 361a, b (K. Schmidt JuS 06, 2). Ausf zur Genese der Normen HKK/Duve §§ 1–14 Rz 66–77. Der Gesetzeswortlaut ist durch G v 20.9.13 (BGBl I 3642) verändert worden.

II. Die europarechtliche Dimension des Verbraucherbegriffs und ihre Bedeutung für die nationale Rechtsanwendung.

1. Die europarechtlichen Rechtsquellen zum Verbraucherbegriff.

 

Rn 2

Ihren Ursprung finden die G gewordenen Komplementärbegriffe des Verbrauchers und des Unternehmers in den europäischen Vorgaben, wie sie sich in der HaustürwiderrufsRL (RL 85/577/EWG), der VerbraucherkreditRL (RL 87/102/EWG; zuletzt geändert durch RL 98/7/EWG), der FernabsatzRL (RL 97/7/EG), der PauschalreiseRL (RL 90/314/EWG), der Time-Sharing-RL (RL 94/47/EG), der Missbräuchliche-Klauseln-RL (RL 93/13/EWG) und der VerbrauchsgüterkaufRL (RL 99/44/EG) wiederfinden. Auf Grund des Gebots der EG-rechtskonformen Auslegung gem Art 23 I 1 GG muss daher die Auslegung der §§ 13, 14 unter Berücksichtigung der gesamten EU-Rechtsordnung und der Rspr des EuGH erfolgen (Einl Rn 35; EuGH Slg 96, I-4705 Rz 41 ff; Slg 00, I-929 Rz 4; Slg 00, I-933, Rz 62; EuZW 03, 253 Rz 63).

2. Die europarechtlichen Vorgaben für die Auslegung des Verbraucherbegriffs.

 

Rn 3

Ausgangspunkt der Auslegung ist Art 2 der HaustürwiderrufsRL, dessen Wortlaut mit dem der VerbrauchsgüterkaufRL und der VerbraucherkreditRL identisch und fast deckungsgleich mit den Formulierungen der FernabsatzRL und der Missbräuchliche-Klauseln-RL ist. Nach dem Wortlaut der HaustürwiderrufsRL ist eine natürliche Person iS dieser RL schutzwürdig, die bei den von dieser RL erfassten Geschäften zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der EuGH legt die Norm einschränkend aus: Auf den Verkauf eines Gewerbebetriebes an der Haustür soll die HaustürwiderrufsRL nicht anwendbar sein (EuGH, C 361/89, Slg 91, I-1206), da der durchschnittliche Gewerbetreibende den Wert seines Gewerbebetriebes und die Bedeutung aller Rechtsgeschäfte, die der Verkauf miteinschließe, kenne. Auch der gewerbsmäßig handelnde Zessionar einer Privatforderung gilt nach der Rspr des EuGH nicht als Verbraucher (EuGH NJW 93, 1251 [BGH 10.03.1993 - VIII ZR 85/92]).

 

Rn 4

Die PauschalreiseRL erweitert den Kreis der geschützten Personen über den Vertragspartner des Reiseveranstalters hinaus (Reich ZEuP 94, 390 mwN); geschützt werden auch die ›übrigen Begünstigten‹, dh die Personen, in deren Namen sich der Vertragspartner zur Buchung verpflichtet und solche Personen, an die der Vertragspartner die Reise abtritt. Im Unterschied zu den in Rn 3 genannten RLinien beschränkt sich die PauschalreiseRL nicht auf den Schutz ›natürlicher‹ Personen, sondern gilt für alle Personen, dh auch Unternehmer, die eine Reise buchen wollen (BGH NJW 02, 2239 [BGH 16.04.2002 - X ZR 17/01]).

 

Rn 5

Nach dem sich aus einer Zusammenschau dieser RLinien ergebenden funktionalen Verbraucherbegriff (MüKoBGB/Micklitz Vor §§ 13, 14 Rz 67) kommt es von der Grundkonzeption nicht mehr auf den Ausgleich struktureller Ungleichheiten an, wie sie etwa durch bestimmte Vertragsschlusssituationen per se hervorgerufen werden können. Für die Kritik zum europäischen Verbraucherbegriff gerade im Zusammenhang mit Art 15 EuGVVO und Art 13 LugÜ vgl Heiderhoff IPRax 05, 230 ff; grds krit ggü der Angemessenheit der dem Verbraucherbegriff zu Grunde liegenden Typisierung Bydlinski AcP 204, 309, 368 ff; Mohr AcP 204, 660, 674 ff. Situativ schutzbedürftig ist der Verbraucher wohl nur im Hinblick auf die Wahrnehmung der ihm zugesprochenen ökonomischen Rolle (vgl Reich ZEuP 94, 389). Zur Deutung des § 13 als Regelung des Verbrauchergeschäfts vgl K. Schmidt JuS 06, 2.

3. Die nationalen Vorgaben für die Auslegung des Verbraucherbegriffs.

 

Rn 6

Da die Verbraucherrechtsrichtlinien auf dem Konzept der Mindestharmonisierung beruhen, stand es dem nationalen Gesetzgeber frei, bei der Umsetzung einen weitergehenden Verbraucherschutz als von den RL vorgesehen zu schaffen (Bülow/Artz NJW 00, 2050; Lorenz NJW 98, 2939). Der nationale Verbraucherbegriff umfasst sowohl rollensoziologische Merkmale, die sich schlagwortartig mit der strukturellen Unterlegenheit (vgl BVerfG NJW 94, 38 f [BVerfG 19.10.1993 - 1 BvR 567/89]) des Verbrauchers beschreiben lassen, als auch Elemente der situativen Schutzbedürftigkeit (Schulze/Schulte-Nölke/Pfeiffer Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts 2001, S 139 f; MüKoBGB/Micklitz Vor §§ 13, 14 Rz 76). Praktisch zeigt sich der Ausbau des europäischen Mindestschutzes durch die nationale Regelung zum einen daran, dass die europarechtliche Defini...

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