Rn 33

Es ist einerseits zwischen den nach ihrem objektiven Inhalt oder aufgrund weiterer Umstände anstößigen Rechtsgeschäften und andererseits den Fallgruppen zu unterscheiden, in denen die Sittenwidrigkeit einen subjektiven Tatbestand erfordert. Verstößt das Rechtsgeschäft nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten des Handelnden hinzukommen, das diesem zum Vorwurf gemacht werden kann (BGH NJW 22, 3147 Rz 32). Hierfür genügt es grds nicht, dass vertragliche Pflichten verletzt werden. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus der Zusammenfassung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel oder der zutage tretenden Gesinnung ergeben kann (BGH NJW 19, 3635 Tz 24). Eine sittlich zu beanstandende Gesinnung der einen oder beider Vertragsparteien genügt regelmäßig nicht (BGH WM 12, 458 Tz 22). Wesentlich ist, dass das Rechtsgeschäft seinem Gesamtcharakter nach sittenwidrig ist.

 

Rn 34

Die nach ihrem Inhalt oder den Umständen sittenwidrigen Rechtsgeschäfte setzen keine Schädigungsabsicht oder ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit voraus (BGHZ 146, 301; BGH NJW 88, 1374; 93, 1588). Insb von der Rspr wird für die nach der Gesamtwürdigung sittenwidrigen Rechtsgeschäfte allerdings verlangt, dass die Beteiligten alle die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gekannt bzw sich dieser Kenntnis bewusst verschlossen oder entzogen haben müssen (BGHZ 146, 301; NJW 94, 188; 01, 1127; 07, 1447 Tz 1448; 10, 363 Tz 11 ff; s.a. NJW-RR 10, 1529Tz 11; BAG NJW 11, 630 [BAG 22.07.2010 - 8 AZR 144/09] Tz 30). Demgegenüber ist festzustellen, dass bereits ein objektiver Sittenverstoß unabhängig von einer Zurechnung genügt (Staud/Sack/Fischinger § 138 Rz 146 ff; MüKo/Armbrüster § 138 Rz 129; Bork AT Rz 1199). Verstößt der Inhalt des Rechtsgeschäfts gegen grundlegende Wertvorstellungen, dürfen die Rechtsfolgen nicht vom guten Glauben der Beteiligten abhängen. Gleiches hat für die aus den Umständen abgeleitete Sittenwidrigkeit zu gelten. Da ein Rechtsgeschäft bewertet wird und nicht haftungsrechtliche Wirkungen bestimmt werden, kommt es auch hier grds nicht auf subjektive Merkmale an (AnwK/Looschelders Rz 96; aA BaRoth/Wendtland Rz 23).

 

Rn 35

Erfordert die Sittenwidrigkeit einen subjektiven Tatbestand, wie bei einem gegen die Interessen der Allgemeinheit oder eines Dritten gerichteten Rechtsgeschäft, muss das Rechtsgeschäft objektiv nachteilig für den Dritten sein und die Beteiligten müssen subjektiv sittenwidrig handeln (NJW 19, 3635 Tz 25). Außerdem müssen die Merkmale von beiden Beteiligten erfüllt werden (BGH NJW 90, 568 [BGH 06.12.1989 - VIII ZR 310/88]; 95, 2284 [BGH 29.03.1995 - IV ZR 207/94]). Die Sittenwidrigkeit kann darin begründet sein, dass die Beteiligten mit einem Rechtsgeschäft den Zweck verfolgen, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken schuldrechtliche Ansprüche Dritter zu vereiteln. Richtet sich das Rechtsgeschäft einseitig gegen die Interessen des anderen Vertragspartners, genügt es, wenn die subjektiven Elemente nur bei dem anstößig Handelnden erfüllt sind (BGHZ 50, 70; MüKo/Armbrüster § 138 Rz 132). Eine Aufklärungspflicht setzt grds positives Wissen von einer sittenwidrigen Überteuerung voraus. Eine Erkennbarkeit genügt, wenn sich die aufklärungspflichtigen Tatsachen aufdrängen mussten (BGHZ 212, 286 Rz 34).

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