Gesetzestext

 

(1) Die Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Durch die Norm soll nur die Scheidung einer im Grundsatz gescheiterten Ehe zur Unzeit vermieden werden (Staud/Rauscher Rz 6 mwN). Sie hat zwar faktisch eine eheerhaltende und -verlängernde Wirkung, jedoch nicht die Erhaltung der Ehe zum Zweck (RGRK/Grashoff Rz 5).

 

Rn 2

Sie schützt zwei Zielgruppen: minderjährige aus der Ehe hervorgegangene Kinder (1. Fallgruppe Kinderschutzklausel) und den nicht die Scheidung beantragenden Ehegatten (2. Fallgruppe Ehegattenschutzklausel).

B. Die Härteklauseln.

I. Die Kinderschutzklausel.

 

Rn 3

betrifft nur gemeinschaftliche minderjährige Kinder der Ehegatten. Dazu gehören außer den leiblichen auch Adoptivkinder, nicht dagegen Kinder nur eines Ehegatten aus einer anderen Beziehung.

 

Rn 4

Die Kinderschutzklausel greift nur in den seltenen Ausnahmefällen, in denen das Kind ein besonderes Interesse an der Aufrechterhaltung des äußeren Bandes der Ehe hat, das über das übliche am Bestand einer sozial intakten Familie hinausgeht (Staud/Rauscher Rz 19). Deshalb kann die Härteklausel weder mit den aus der Trennung resultierenden nachteiligen Folgen (Köln FamRZ 81, 959) noch mit der voraussichtlichen Behinderung des späteren Umgangsrechts begründet werden (Frankf NJW-RR 02, 162). Zu bejahen ist die schwere Härte bei der im Fall der Scheidung ernsthaften Gefahr der Selbsttötung eines minderjährigen Kindes (Hambg FamRZ 86, 469), das aber auch dann nicht, wenn das Kind noch so klein ist, dass es zu dem betreffenden Elternteil noch keine eigenen gefestigten Beziehungen hat aufbauen können (Köln FamRZ 98, 827).

 

Rn 5

Da die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange der Kinder aus der uneingeschränkten Solidarität mit diesen folgt, werden die Kindesbelange nicht mit denen des die Ehescheidung begehrenden Ehegatten abgewogen (Staud/Rauscher Rz 19).

II. Die Ehegattenschutzklausel.

 

Rn 6

soll dem an der Ehe festhaltenden Ehegatten die Möglichkeit und die Zeit geben, sich auf die Auflösung der Ehe einzustellen (BTDrs 7/4361, 13). Da die Ehescheidung gegen den Willen eines Ehegatten regelmäßig mit Härten verbunden ist, ist der Maßstab für die schwere Härte nicht die Ehe schlechthin, sondern die bereits gescheiterte. Nur dann, wenn sich auf Grund außergewöhnlicher Umstände durch die Scheidung besondere Härten ergeben, kann an der bereits gescheiterten Ehe festzuhalten sein, wobei hier anders als im Falle der Kinderschutzklausel die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen sind. Die Härte muss durch die Auflösung des Ehebandes, nicht durch die Trennung begründet sein (Brandbg FamRZ 10, 1803), die zumeist als viel einschneidender empfunden wird als der Scheidungsausspruch (Bambg FamRZ 22, 682).

 

Rn 7

Krankheit reicht dann nicht aus, die schwere Härte zu begründen, wenn sie nicht zu einer psychischen Ausnahmesituation geführt hat (Brandbg FamRZ 10, 1803). Anders aber etwa im Spätstadium der Erkrankung des an der Ehe festhaltenden Ehegatten an multipler Sklerose, wenn schon kleine Aktivierungen der Entzündungsvorgänge massive Anfälle bewirken, so dass die Gefahr wesentlicher gesundheitlicher Verschlechterungen besteht (BGH FamRZ 85, 905 [BGH 05.06.1985 - IVb ZR 13/84]). Aber auch das gilt dann nicht, wenn die Verweigerung der Ehescheidung nunmehr für den scheidungswilligen Ehegatten zu einer akuten lebensbedrohenden Gesundheitsgefährdung führen kann (Hamm NJW-RR 89, 1159 [OLG Hamm 10.01.1989 - 1 UF 199/88]). Schwere Härte ist zu bejahen, wenn dem betagten und pflegebedürftigen Ehegatten eine Ehescheidung in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr zugemutet werden kann (Stuttg NJW-RR 02, 1443) oder wenn der Aufenthalt eines in einem Pflegeheim lebenden Ehegatten allein durch die Ehe gesichert ist (AG Tempelhof FamRZ 14, 1780).

 

Rn 8

Die religiöse Überzeugung eines Ehegatten und seine Stellung in einer Glaubensgemeinschaft können die schwere Härte nicht begründen (Schlesw OLGR 01, 6; Stuttg FamRZ 91, 334).

 

Rn 9

Die Suizidgefahr führt nur dann zur Anwendung der Norm, wenn sie aus einer von dem Ehegatten nicht zu steuernden psychischen Ausnahmesituation resultiert (BGH FamRZ 81, 1161; Hamm FamRZ 90, 60; Schlesw MDR 06, 874), nicht dagegen dann, wenn sie eine von dem Ehegatten selbst zu verantwortende Fehlreaktion darstellt (FAFamR/v Heintschel-Heinegg, Kap 2 Rz 46). Mit der Scheidung einhergehende seelische Belastungen sind grds zumutbar, insb dann, wenn der unter Depressionen leidende Ehegatte therapiefähig ist (Stuttg NJW-RR 92, 1093; Hamm FamRZ 90, 60). Da überdies Depressionen eine häufige Begleiterscheinung des Partnerverlustes darstellen, begründen sie allein nicht die sch...

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