Rn 4

Krankheit wird als objektiv fassbarer regelwidriger Zustand umschrieben und entspricht dem Sozialversicherungsrecht (vgl § 240 II SGB VI) und Beamtenrecht (§ 44 I 1 BBG), sodass die dort entwickelten Grundsätze auch iRd § 1572 heranzuziehen sind.

Es ist auf die entspr sozialversicherungsrechtlichen Begriffsbestimmungen (SGB VI § 240 II, § 42 I 1 BBG) zurückzugreifen. Krankheit ist ein objektiv fassbarer regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BGH FamRZ 10, 1414). Krankheit idS sind auch eine Alkohol- und Drogensucht, Medikamentenabhängigkeit (BGH FamRZ 88, 375; Foerste FamRZ 99, 1245) sowie eine Rentenneurose bei Steuerungsunfähigkeit und Übergewicht (Köln FamRZ 92, 65) oder Depressionen (BGH FamRZ 10, 1057). Gebrechen sind alle von der Regel abweichenden körperlichen oder geistigen Zustände, mit denen für nicht absehbare Zeit zu rechnen ist (BSG NJW 61, 987 [BSG 02.03.1961 - 4 RJ 198/59]), etwa Blindheit, Taubheit, Lähmung etc. Zur körperlichen oder geistigen Schwäche zählen ua vorzeitiger Kräfteverbrauch, Altersabbau, mentale Retardierung, nicht kompensierbare Persönlichkeitsstörungen, Konzentrationsschwächen etc (Bambg FamRZ 00, 231). Unterhalts- oder Rentenneurosen sind als neurotische Störung aufgrund der Angst, den Unterhaltsanspruch zu verlieren, als Krankheit anzusehen, wenn die neurotische Störung Krankheitswert hat und nicht ohne Behandlung durch die Aberkennung des Unterhaltsanspruchs überwunden werden kann. Die Feststellung, ob die Willens- oder Steuerungsfähigkeit krankheitsbedingt eingeschränkt ist oder ob es sich nur um eine Simulation handelt, ist ohne ärztliche Begutachtung meist nicht möglich (BGH FamRZ 84, 660). Unterhaltsrechtlich relevante gesundheitliche Beeinträchtigungen liegen nicht schon bei gewissen verbreiteten körperlichen Abnutzungserscheinungen oder Unpässlichkeiten vor.

 

Rn 4a

Für den Betroffenen besteht die Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer zumutbaren Behandlung. Liegt ein Verstoß gegen die Obliegenheit vor, die Arbeitskraft durch geeignete Maßnahmen wieder herzustellen, können fiktive Einkünfte zugerechnet werden (Hamm FamRZ 12, 1732; KG FamRZ 01, 1617). Hinsichtlich der Verpflichtung zur Durchführung von Operationen gelten die im Schadensersatzrecht entwickelten Grundsätze (Hamm FamRZ 96, 863). Eine Obliegenheit besteht danach, wenn die Operation gefahrlos und nicht mit besonderen Schmerzen verbunden ist und eine hinreichende Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung besteht (BGH NJW 94, 1593). Für die Frage des Verschuldens kommt es darauf an, ob nicht die Fähigkeit des Unterhaltsgläubigers, entspr seiner Einsicht in die Notwendigkeit einer Therapie zu handeln, krankheitsbedingt wesentlich eingeschränkt war oder ist, insb, wenn er wegen Willens- oder Charakterschwäche nicht im Stande ist, seiner Erkrankung entgegenzusteuern und entsprechende Heilmaßnahmen zu ergreifen und durchzustehen (BGH FamRZ 88, 375; Hamm FamRZ 99, 237; Köln FamRZ 99, 920, zu weiteren Einzelheiten vgl Rn 10).

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