Rn 9

Bei der Vollrechtstreuhand erhält der Treuhänder Vermögensrechte zu eigenem Recht übertragen, darf diese aber nicht oder wenigstens nicht ausschließlich in eigenem Interesse ausüben. Diese Rechtsstruktur ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder nach außen hin ein Mehr an Rechten überträgt, als dieser nach der gleichzeitig getroffenen schuldrechtlichen Abrede ausüben darf (sog fiduziarische Treuhand; BGH NJW 04, 1382, 1383 [BGH 10.12.2003 - IV ZR 249/02]). Die Treuhandabrede wirkt wegen § 137 aber nur im Innenverhältnis zwischen dem Treuhänder und dem Treugeber (MüKo/Schubert Rz 52). Der nach außen uneingeschränkt verfügungsberechtigte Treuhänder ist lediglich schuldrechtlich gebunden, das übertragene Recht nur nach Maßgabe der Treuhandvereinbarung auszuüben (BGH WM 12, 1496 Rz 10). Weil der Treugeber im Innenverhältnis über die Treuhandabrede auf das treuhänderisch gebundene Vermögen weiterhin Einfluss nehmen kann, bleibt ihm das unmittelbar aus seinem Vermögen stammende Treugut wirtschaftlich und haftungsrechtlich zugeordnet (sog wirtschaftliches Eigentum; Bork AT Rz 1316). Deshalb darf ein Schuldner uU gegen eine iRd Treuhandverhältnisses begründete Forderung mit einer Forderung gegen den Treugeber (BGH NJW 90, 982, 990 [BGH 15.01.1990 - II ZR 164/88]) oder gegen eine Forderung des Treugebers mit einer Forderung gegen den Treuhänder aufrechnen (BGH NJW 89, 2386, 2387 [BGH 27.02.1989 - II ZR 182/88]). Zudem ist die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation iRv Treuhandverhältnissen anerkannt; dies gilt insb für den Ersatz des ›Zedentenschadens‹ bei der Sicherungszession (BGHZ 128, 371, 376 ff: s.a. § 249 Rn 106).

 

Rn 10

Vor Zugriffen von Gläubigern des Treuhänders ist der Treugeber durch § 771 ZPO (für die uneigennützige Treuhand BGH WM 12, 1496 Rz 12; für die Sicherungstreuhand BGHZ 72, 141, 143 ff) und § 47 InsO (für die uneigennützige Treuhand BGH WM 93, 83, 84; für die Sicherungstreuhand BGH NJW 69, 942 [BGH 03.03.1969 - AnwSt (R) 5/68]) geschützt, s.a. für die Sicherungsübereignung Vor §§ 1204 ff Rn 76 f. Ein Widerspruchs- und Aussonderungsrecht des Treugebers ist in der Rspr grds jedoch nur anerkannt, wenn dem Treuhänder das Treugut aus dem Vermögen des Treugebers übertragen worden ist (s Rn 6). Durch eine schuldrechtliche Vereinbarung, dass der bisherige Vollrechtseigentümer (Treunehmer) sein Eigentum nunmehr im Interesse eines anderen (Treugeber) verwaltet, erwirbt dieser kein Aussonderungsrecht in der Insolvenz des Eigentümers (BGHZ 155, 227, 231 ff; NJW 93, 2622). Eine Ausn von dem Unmittelbarkeitsgrundsatz gilt bei Zahlungen, die Dritte bestimmungsgemäß auf ein Anderkonto eines RA oder Notars geleistet haben (BGH NJW 96, 1543). An unbeweglichen Sachen begründen Treuhandvereinbarungen in der Insolvenz des Treuhänders nur dann ein Aussonderungsrecht, wenn der Anspruch des Treugebers dinglich gesichert ist (BGHZ 155, 227, 236 ff). Bei der uneigennützigen Verwaltungstreuhand hat der Treuhänder weder ein Interventionsrecht nach § 771 ZPO (BGH WM 04, 583, 585) noch ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO (BGH DB 75, 300). In der Insolvenz des Treugebers hat der Insolvenzverwalter vielmehr ggü dem Treunehmer einen Anspruch auf Rückübertragung des Treuguts zur Insolvenzmasse (BGH WM 12, 1496 Rz 12). Dagegen ist bei der eigennützigen Treuhand dem Umstand Rechnung zu tragen, dass wirtschaftlich eine Sicherung des Treuhänders (Sicherungsnehmers) bezweckt ist. Nach hM hat der Sicherungsnehmer daher ein Widerspruchsrecht nach § 771 ZPO (BGHZ 80, 296, 299; aA für ein Absonderungsrecht nach § 805 ZPO MüKoZPO/Schmidt § 771 Rz 19) und ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr 1 InsO, s für die Sicherungsübereignung Vor §§ 1204 ff Rn 78 f.

 

Rn 11

Entgegen einer va für die Treuhand an Gesellschaftsanteilen vertretenen Auffassung (MüKoHGB/Schmidt vor § 230 Rz 69) lehnt die hM eine analoge Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht (s Rn 67 ff) auf die Vollrechtsstreuhand ab (BGH NJW 68, 1471 [BGH 04.04.1968 - II ZR 26/67]; WM 77, 525, 527). Für diese Ansicht spricht, dass der Unterschied zwischen dem Handeln in eigenem und dem in fremdem Namen bei missbräuchlichen Verfügungen des Treuhänders nicht nur ein formaler ist. Die Wertungsparallele zur Stellvertretung fällt aufgrund der Regelung in § 137, die eine mit dinglicher Wirkung ausgestattete Beschränkung der Verfügungsmacht des Treuhänders nicht zulässt, vielmehr von Gesetzes wegen weg. Gegen eine vergleichbare Interessenlage spricht zudem die weitergehende Rechtsmacht des Treuhänders und seine selbstständige Stellung (Soergel/Leptien vor § 164 Rz 60).

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