Gesetzestext

 

(1) Auf schriftlichen Antrag eines Elternteils wird das Jugendamt Beistand des Kindes für folgende Aufgaben:

1. die Feststellung der Vaterschaft,
2. die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie die Verfügung über diese Ansprüche; ist das Kind bei einem Dritten entgeltlich in Pflege, so ist der Beistand berechtigt, aus dem vom Unterhaltspflichtigen Geleisteten den Dritten zu befriedigen.

(2) Der Antrag kann auf einzelne der in Absatz 1 bezeichneten Aufgaben beschränkt werden.

A. Grundlagen.

 

Rn 1

Orientierungspunkte für die Handlungsweise des Beistandes sind das Wohl und die Interessenlage des Kindes (Rüting Kind-Prax 05, 168, 169).

 

Rn 2

Örtlich zuständig ist nach § 87c I 1 und 3, V 1 SGB VIII das Jugendamt am Wohnsitz des Elternteils, der den Antrag zu stellen berechtigt ist. Beistand wird nicht das Jugendamt als Behörde, vielmehr ist ein Beamter oder Angestellter nach § 55 II SGB VIII zu bestimmen, der durch die Übertragung Vertreter des Kindes wird; die elterliche Sorge wird hierdurch jedoch nicht eingeschränkt.

 

Rn 3

Wird dem Jugendamt die Geburt eines Kindes gemeldet, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind, besteht eine durch § 52a SGB VIII detailliert geregelte Informationspflicht. Ua ist der nichtehelichen Mutter Beistand für die Feststellung der Vaterschaft und die Geltendmachung von Unterhalt anzubieten.

 

Rn 4

Ergänzt wird die Regelung durch die Vertretungsregelung in Unterhaltsverfahren in §§ 114 IV Nr 2, 234 FamFG, sodass in Unterhaltsverfahren die Vertretung durch den Beistand genügt. Im Falle der Vertretung getrennt lebender Ehegatten durch den Beistand endet die Beistandschaft mit dem Ende der Verfahrensstandschaft nach § 1629 III (Berlin DAVorm 98, 242).

 

Rn 5

[nicht besetzt]

B. Regelungsumfang.

I. Antragserfordernis.

 

Rn 6

Ein schriftlicher Antrag eines Elternteils ist Voraussetzung für ein Tätigwerden des Beistands ggü Dritten. Auch bei getrennt lebenden, verheirateten und gemeinsam sorgeberechtigten Eltern ist eine Vertretung des Kindes durch das Jugendamt als Beistand zur gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunterhalt zulässig (BGH NJW 15, 232 [BGH 29.10.2014 - XII ZB 250/14]). Für einen wirksamen Antrag muss die Elternschaft feststehen. Dies ist bezüglich der Mutter stets der Fall (§ 1591), auch bereits vor der Geburt des Kindes, § 1714 S 2. Der nichteheliche Vater ist nicht berechtigt, das Jugendamt als Beistand zu beauftragen, seine Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen, da seine Vaterschaft (noch) nicht feststeht. Aufgrund der Beschränkung des Gesetzes auf die Feststellung der Vaterschaft kann auch ein anfechtender Vater für eine Vaterschaftsanfechtungsklage keine Beistandschaft beantragen.

II. Umfang der Beistandschaft.

 

Rn 7

Wird die Beistandschaft ohne jede Konkretisierung beantragt, betrifft sie die Bereiche der Feststellung der Vaterschaft und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Hiervon erfasst wird auch die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den Pflichtigen, wenn das Kind sich in entgeltlicher Pflege bei einem Dritten befindet, da die Pflegeperson selbst nicht berechtigt ist, Unterhalt ggü dem Unterhaltspflichtigen geltend zu machen. Grds wird das Jugendamt ebenso wie der Beantragende ein tatsächliches und auch rechtliches Interesse daran haben, den Auftrag zu konkretisieren und auch inhaltlich oder zeitlich zu beschränken. Da der Antrag auf einzelne der Aufgaben beschränkt werden kann, ist umstr, ob auch eine Einschränkung der gesetzlich definierten Aufgaben zulässig ist, zB also bei der Vaterschaftsfeststellung die Beschränkung auf eine Klage gegen einen bestimmten Mann (jurisPK/Schmidbauer § 1712 Rz 8). Nach heute wohl überwiegender Ansicht wird eine solche Beschränkung abgelehnt, da anderenfalls eine unzulässige Erteilung von Weisungen an das Jugendamt erfolge (DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 13, 316; MüKoBGB/v Sachsen Gessaphe, 8. Aufl 2020, BGB § 1712 Rz 6).

 

Rn 8

[nicht besetzt]

 

Rn 9

Überwiegend wird die Rechtsansicht vertreten, dass die Beistandschaft trotz des Gesetzeswortlauts sowohl für die Geltendmachung als auch zur Verteidigung von Rechtspositionen zulässig ist (Naumbg FamRZ 06, 1223). Einigkeit besteht in der Rspr, dass eine im vereinfachten Verfahren bestehende Beistandschaft im Falle eines Unterhaltsherabsetzungsantrages nach § 255 FamFG fortbesteht (Hamm JAmt 04, 144).

 

Rn 10

Im gerichtlichen Verfahren haben die Verfahrenshandlungen des Beistands nach §§ 173, 234 FamFG Vorrang; der Beistand ist dort der alleinige Vertreter des Kindes, so dass eine Verfahrensführung durch den sorgeberechtigten Elternteil ausgeschlossen ist (Jena FamRZ 14, 965). Besteht eine Unterhaltsbeistandschaft des Jugendamts, so ist ein Antrag des sorgeberechtigten Elternteils auf Festsetzung des Kindesunterhalts folglich unzulässig (Brandbg FuR 17, 674).

 

Rn 11

Eine verständliche und sehr ausführliche Broschüre ist als Download (Die Beistandschaft) verfügbar unter www.bmfsfj.de; im Postversand kostenfrei anzufordern unter ›Publikationsversand der Bundesregierung, Postfach 481009, 18132 Rostock‹.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge