Gesetzestext

 

1Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. 2Hat jedoch derjenige, welchem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. 3Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnis vorgenommen wird.

A. Normzweck, Systematik und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Nach der mit §§ 111 1, 1367, 1831 1 korrespondierenden Vorschrift in 1 kann ein einseitiges Rechtsgeschäft nur bei bestehender Vertretungsmacht wirksam werden (BGH NJW 16, 3032 [BGH 29.06.2016 - XII ZB 300/15] Rz 24). Ein von oder ggü einem Vertreter ohne Vertretungsmacht vorgenommenes einseitiges Rechtsgeschäft ist unheilbar nichtig (Staud/Schilken Rz 2). Es gibt keinen Schwebezustand und das Rechtsgeschäft kann auch nicht genehmigt werden. Die Vorschrift dient dem Schutz des Rechtsverkehrs vor der Ungewissheit schwebend unwirksamer Geschäfte (Staud/Schilken Rz 1). Von diesem Grundsatz sehen 2 u 3 praktisch wichtige Ausnahmefälle für einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen (Kündigung, Rücktritt, Anfechtung) und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen vor, bei denen der Erklärungsempfänger nicht schutzbedürftig ist und die §§ 177–179 daher analoge Anwendung finden. Nach einer teilw vertretenen Ansicht soll die Heilung der Unwirksamkeit einer Gestaltungserklärung wie der Kündigung eines Miet- oder Arbeitsverhältnisses durch Genehmigung gem 1 iVm 177 I nicht möglich sein (LAG Köln LAGE BGB 02 § 180 Nr 1; Celle ZMR 99, 273 f; aA BAG ZIP 86, 388, 389; NJW 87, 1038, 1039; offen lassend BAG AP Nr 18 zu § 124). Diese Ansicht findet im Gesetz jedoch keine hinreichende Stütze (Zimmermann ZTR 07, 118, 122 ff). Bei streng einseitigen nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen (Auslobung, Eigentumsaufgabe, Erbschaftsannahme und Erbausschlagung) und bei amtsempfangsbedürftigen Willenserklärungen (§§ 376 II Nr 1, 1, 928, 976, 1196 II) bleibt es bei der Regelung in 1 (Staud/Schilken Rz 26). Für Prozesshandlungen wie die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 I Nr 5 ZPO) finden 2 u 3 aufgrund der spezielleren Norm des § 89 ZPO ebenfalls keine Anwendung (Staud/Schilken Rz 13).

B. Aktive Stellvertretung (S 2).

 

Rn 2

Ein schlüssiges Behaupten der Vertretungsmacht iSv 2 Alt 1 liegt idR schon in dem sich aus der Geltendmachung fremder Rechte ergebenden Auftreten als (gewillkürter) Vertreter (BGH NJW 10, 2950 [BGH 26.05.2010 - Xa ZR 124/09] Rz 19). Es fehlt, wenn der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht offen legt oder auch nur Zweifel an ihr äußert (MüKo/Schubert Rz 9). Beanstanden ist gleichbedeutend mit unverzüglich zurückweisen iSd § 174 (Köln NJW-RR 95, 1463, 1464 [OLG Köln 31.03.1995 - 19 U 197/94]), s § 174 Rn 4. Das Einverständnis iSv 2 Alt 2 kann auch durch schlüssiges Handeln (konkludent) erklärt werden. Es muss sich auf die Vornahme des Rechtsgeschäfts beziehen und setzt voraus, dass der Erklärungsempfänger das Fehlen der Vertretungsmacht kannte oder zumindest für möglich hielt (MüKo/Schubert Rz 12). Die Beanstandung der Vertretungsmacht hat bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts, dh bei einer Erklärung unter Anwesenden sofort und bei einer solchen unter Abwesenden unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 I) zu erfolgen (BeckOKBGB/Schäfer Rz 7). Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss auch das Einverständnis des Erklärungsempfängers mit dem Vertretergeschäft vorliegen (MüKo/Schubert Rz 12). 2 findet auf die gesellschaftsrechtliche Stimmausübung analoge Anwendung (Frankf NZG 03, 438 [OLG Hamburg 31.01.2003 - 11 U 196/02]).

C. Passive Stellvertretung (S 3).

 

Rn 3

Das Einverständnis des Empfangsvertreters iSv 3 setzt voraus, dass dieser erkennbar zur Entgegennahme der Willenserklärung bereit ist und dass der Empfangsvertreter vom Einverständnis des Vertreters Kenntnis erlangt. Nicht erforderlich ist, dass der Vertreter Kenntnis von dem Fehlen seiner Vertretungsmacht hat (Staud/Schilken Rz 8).

D. Rechtsfolgen.

 

Rn 4

Greift ein Ausnahmefall von 2 u 3 ein, ergeben sich die Rechtsfolgen aus einer entspr Anwendung der §§ 177–179. Das Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam und kann gem § 177 I von dem Vertretenen genehmigt werden (BGH BB 69, 293). Ist das Rechtsgeschäft wie die Ausübung des Vorkaufsrechts gem § 469 II (BGHZ 32, 383, 382 f), die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gem § 626 II 1 (BAG NJW 1987, 1038, 1039 [BAG 26.03.1986 - 7 AZR 585/84]) und die Mängelrüge gem §§ 377 HGB (RG SeuffA 58, 238, 239) an eine Ausschlussfrist gebunden, kann es nach Ablauf der Ausschlussfrist nicht mehr rückwirkend genehmigt werden (§ 184 Rn 2). Nach der Rspr des BGH hat die Genehmigung von Gestaltungserklärungen keine Rückwirkung (§ 184 Rn 6; aA für eine Rückwirkung der Genehmigung der ordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses BAG ZIP 86, 388, 389; zust Zimmermann ZTR 07, 119, 124 ff; abw ...

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