Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei sanierungsrechtlicher Genehmigung
Hintergrund: Vertrag innerhalb der Frist – Genehmigung nach Fristablauf
Zu entscheiden war, ob die Veräußerung innerhalb der zehnjährigen "Spekulationsfrist" erfolgt ist.
Die Eheleute erwarben in 2002 eine Eigentumswohnung, die sie vermieteten. Sie gaben am 20.12.2002 ein notariell beurkundetes Angebot zum Erwerb ab, das der Veräußerer mit notariell beurkundeter Annahmeerklärung vom 7.1.2003 annahm.
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 27.12.2012 (d.h. innerhalb der Zehn-Jahres-Frist) veräußerten die Eheleute die Immobilie. Das Objekt befand sich in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet i.S.v. § 142 BauGB. Die für die Eigentumsumschreibung erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung wurde von der Gemeindebehörde am 5.2.2013 (also nach Ablauf der Frist) erteilt.
Aus der Veräußerung erzielten die Eheleute einen Gewinn (Einnahmenüberschuss) von rund 200.000 EUR, den das FA als sonstige Einkünfte der ESt unterwarf. Die Zehn-Jahres-Frist sei noch nicht abgelaufen gewesen. Als Anschaffungszeitpunkt gelte die Annahme des Angebots am 7.1.2003. Veräußerungszeitpunkt sei der 27.12.2012, da die spätere Genehmigung auf den Zeitpunkt des Kaufvertrags zurückwirke.
Das FG folgte dem FA und wies die Klage ab.
Entscheidung: Bindende Vertragserklärungen als maßgebliche Zeitpunkte
Im Hinblick auf den Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines Wirtschaftsguts im Privatvermögen der ESt zu unterwerfen, kann von einer rechtsgeschäftlichen Anschaffung oder Veräußerung nur gesprochen werden, wenn die Vertragserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind. Mit den beiderseitigen übereinstimmenden Willenserklärungen wird der Vertragsschluss für die Vertragspartner zivilrechtlich bindend. Damit sind, dem Zweck des § 23 EStG entsprechend, die Voraussetzungen für die Realisierung der Wertsteigerung eingetreten (BFH v. 10.2.2015, IX R 23/13, BStBl II 2015, 487 Rz 21 und 24).
Vertragliche Bindung trotz ausstehender Genehmigung
Nach § 144 BauGB gilt ein umfassender Genehmigungsvorbehalt für rechtsgeschäftliche Grundstücksübertragungsgeschäfte in Sanierungsgebieten. Das Fehlen der Genehmigung macht sowohl das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft als auch das dingliche Verfügungsgeschäft schwebend unwirksam. Gleichwohl sind die Vertragsparteien damit an ihre Willenserklärungen gebunden. Es bestehen lediglich noch keine Erfüllungsansprüche. Mit der Erteilung der Genehmigung wird das Rechtsgeschäft sodann rückwirkend wirksam. Die Bindungswirkung eines innerhalb der Haltefrist abgeschlossenen, wegen Fehlens der Genehmigung (noch) schwebend unwirksamen Vertrags reicht jedoch aus, um die Rechtsfolgen eines privaten Veräußerungsgeschäfts eintreten zu lassen. Kann sich vor Erteilung der Genehmigung keine Partei mehr einseitig vom Vertrag lösen, sind bereits die Voraussetzungen für ein Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäft innerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfüllt. Die ausstehende Genehmigung, auf die die Vertragsbeteiligten keinen Einfluss haben, hat auf die von den Beteiligten gewollte Bindung keinen Einfluss.
Im Streitfall ist die Haltefrist nicht eingehalten
Hiervon ausgehend lag am 27.12.2012, und damit innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist, ein beiderseits bindender obligatorischer Vertragsschluss vor. Das Vorliegen der sanierungsrechtlichen Genehmigung war nach dem Vertrag lediglich maßgeblich für die Fälligkeit des Kaufpreises und hatte keine konstitutive Bedeutung für den Vertragsschluss. Da somit trotz des Genehmigungsvorbehalts mit den übereinstimmenden Willenserklärungen innerhalb der Haltefrist für die Beteiligten eine beiderseitige Bindung eingetreten war und der Inhalt des Vertrags feststand sowie die zur Eigentumsübertragung erforderlichen Erklärungen abgegeben waren und es somit den Vertragsparteien nicht mehr möglich war, sich bis zur Erteilung der Genehmigung von dem Vertrag zu lösen, sind die Voraussetzungen für eine Realisierung der in dem Objekt liegenden Wertsteigerung verbindlich eingetreten. Dass die Erteilung der Genehmigung außerhalb der Veräußerungsfrist lag, ist damit unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Genehmigung steuerlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt. Denn die bindende Veräußerung lag danach am 27.12.2012 und damit innerhalb der maßgeblichen Zehn-Jahres-Frist vor.
Hinweis: Beiderseitige Bindung innerhalb der Zehn-Jahres-Frist
Die Besteuerung erfordert eine beiderseitige Bindung innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums. Wann die Genehmigung erteilt wird, ist unerheblich. Anders liegt der Fall einer nur einseitigen Bindung, z.B. durch ein einseitiges Angebot oder den Vorbehalt einer Partei, sich – unabhängig von der Erteilung der Genehmigung - jederzeit einseitig vom Vertrag zu lösen. Dann können die Beteiligten (noch) nicht sicher von der Realisierung des Grundstückswerts ausgehen.
BFH Urteil vom 25.03.2021 - IX R 10/20 (veröffentlicht am 29.07.2021)
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