Rn 2

Der Vertragsgedanke (§ 311 I) setzte grds einer Vereinbarung zur Änderung der gesetzlichen Verjährungsregelungen voraus (s Rn 4). Solche Vereinbarungen können sowohl die Länge der Verjährungsfristen, die abw Bestimmung des Verjährungsbeginns, die eigene Bestimmung von Hemmungsgründen oder die Tatbestände eines Neubeginns betreffen. Keine Rolle spielt, ob die Vereinbarung unmittelbar oder nur mittelbar (bspw durch Stundung oder Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung) Einfluss auf die Verjährung nimmt. Eine Vereinbarung kann sowohl vor wie auch nach Entstehen des Anspruchs als auch vor Beginn, während und nach Ablauf der Verjährung getroffen werden. Es kann also auch eine bereits abgelaufene Frist noch verlängert werden. Vereinbarungen über einen gesetzlichen Anspruch verändern idR das urspr Rechtsverhältnis nur, soweit sie streitige oder ungewisse Punkte betreffen, lassen es iÜ aber nach Inhalt und Rechtsnatur weiter bestehen; das gilt auch für die Verjährungsfrist (BGH NJW 08, 2776 [BGH 17.06.2008 - VI ZR 197/07] Rz 19). Wie der Inhalt der Vereinbarung insgesamt unterliegt auch deren Umfang der Parteidisposition, sodass es im Wesentlichen auf die Auslegung der Erklärung ankommt, auf welche Ansprüche sich diese beziehen soll; (nur) im Zweifel sind konkurrierende oder alternative Ansprüche umfasst, sodass sich auch dort die Verjährung verändert (BTDrs 14/6040, 111; BGH NJW 21, 234 [BGH 01.10.2020 - IX ZR 247/19] Rz 42). Möglich ist auch eine Teilregelungen zB dergestalt, dass nur die Frist des § 195 verlängert, es aber iÜ bei § 199 belassen wird (BAG NZA 10, 518 [BAG 25.11.2009 - 10 AZR 737/08] Rz 30). Ferner können Vereinbarungen auch als Vertrag zugunsten Dritter (BGH BB 04, 179, 180 [BGH 11.12.2003 - III ZR 118/03]) oder als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte geschlossen werden. Auch eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist ist erfasst (BAG NJW 13, 3741 [BAG 20.06.2013 - 8 AZR 280/12] Rz 22).

 

Rn 3

Eine bestimmte Form schreibt das Gesetz für die Verjährungsvereinbarungen grds nicht vor. Die hM (MüKo/Grothe Rz 5) will dies auch bei Grundstückskaufverträgen gelten lassen. Das überzeugt für Vereinbarungen vor Vertragsschluss nicht, da das Beurkundungserfordernis des § 311b I 1 auch die wesentlichen Nebenabreden erfasst (Grüneberg/Ellenberger Rz 5). Ferner muss es bei nachträglichen Vereinbarungen wohl auch dann gelten, wenn die Auflassung noch nicht erklärt ist (aA Erman/Schmidt-Räntsch Rz 3), und im Fall verjährungserleichternder Vereinbarungen durch die Vereinbarung die Beeinträchtigung des Eigentumsverschaffungsanspruchs zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem nach der Rspr eine Rückabwicklung des Vertrages der notariellen Beurkundung bedürfte (s dazu § 311b Rn 12).

 

Rn 4

Grds ist ein einseitiges Einwirken auf die Verjährung nicht zulässig (Rn 2). Anderes gilt nur für Ansprüche aus einseitigen Rechtsgeschäften, bspw Auslobung, Gewinnzusagen und Ansprüche aus Vermächtnissen (§§ 657, 661a, 1947, 2147), bei denen der Versprechende einseitig die Verjährung beeinflussen kann. Beim gesetzlichen Pflichtteilsanspruch (§§ 2303, 2317) ist das nicht der Fall (Grüneberg/Ellenberger Rz 6; str). Ferner kann der Schuldner einseitig auf die Erhebung der Verjährungseinrede bzgl entstandener Ansprüche (BGH NJW 08, 2776 [BGH 17.06.2008 - VI ZR 197/07] Rz 28) verzichten (BGH NJW 73, 1690 [BGH 04.07.1973 - IV ZR 185/72]), zB der Haftpflichtversicherer bei der Regulierung von Schäden, die der versicherte Schädiger verursacht hat, was auch ggü dem Schädiger wirkt, jedenfalls soweit die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegende Versicherungssumme nicht überschritten wird (BGH NJW-RR 04, 109 [BGH 07.10.2003 - VI ZR 392/02] Rz 34). Verzichte sind sowohl vor (BGH 15.12.22 – VII ZR 523/21 Rz 17; BB 07, 2591 [BGH 18.09.2007 - XI ZR 447/06] Rz 15) wie nach Ablauf (BGH NJW 09, 1598 [BGH 16.03.2009 - II ZR 32/08] Rz 21 f) der Verjährung möglich (BGH 1.7.14 – VI ZR 391/13 Rz 35); entspr kann der Schuldner die Einrede im Prozess fallen lassen (BGH NJW-RR 10, 1064 [BGH 15.04.2010 - III ZR 196/09] Rz 17; NJW 13, 525 Rz 13). Eine solche Erklärung hat nach ihrem durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermittelnden Erklärungsgehalt idR nur die Bedeutung, dass der Schuldner seine Verteidigung nicht mehr auf die bisher geltend gemachte Einrede stütze und den prozessualen Zustand wiederherstellen möchte, der vor Erhebung der Einrede bestanden hat (BGH NJW-RR 22, 740 [OLG Düsseldorf 15.02.2022 - 23 U 153/20] Rz 31). IdR ist es der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Verzichts, dass zwar der Ablauf der Verjährung nicht beeinflusst und die Verjährungsvollendung nicht hinausgeschoben wird (BGH NJW 21, 461 Rz 15), aber die Befugnis, die Einrede zu erheben, (nur) bis zum Ablauf der Frist ausgeschlossen ist (BGH NJW 21, 234 [BGH 01.10.2020 - IX ZR 247/19] Rz 39; 17.12.15 – IX ZR 61/14 Rz 43), nicht aber, dass der Schuldner den Gläubiger allgemein so stellen wolle, als würde die Verjährung erst mit dem Ablauf der Verzichtsfrist eintreten (BGH NJW 14, 2...

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