Rn 2

Der Begriff der ›Verhandlungen‹ ist weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner (bzw sein Vertreter; vgl Schlesw 22.8.11 – 3 U 101/10) dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein (BGH 31.1.14 – III ZR 84/13 Rz 8; zum Schriftwechsel über die Richtigkeit einer Rechnung BGH NJW-RR 22, 1286 [BGH 14.07.2022 - VII ZR 255/21] Rz 23). Dafür kann zB genügen, dass der Anspruchsgegner mitteilt, er habe die Angelegenheit seinem Haftpflichtversicherer zur Prüfung übersandt, wenn dieses nicht nur Ausdruck versicherungsrechtlicher Obliegenheiten (BGH NJW 11, 1594 [BGH 03.02.2011 - IX ZR 105/10] Rz 16) ist bzw die erhobenen Ansprüche zugleich zurückgewiesen werden (BGH NJW 12, 2435 [BGH 10.05.2012 - IX ZR 125/10] Rz 63 f), oder dass bei geltend gemachtem Rückzahlungsanspruch (§ 346 I) mehrere Gespräche mit dem Ziel geführt wurden, den Vertrag wiederaufleben zu lassen (BGH 8.12.11 – V ZR 110/11; s.a. BGH NJW-RR 11, 98 [BGH 28.10.2010 - VII ZR 82/09] Rz 10: Bauträger führt wegen Mängeln im Einvernehmen mit dem Besteller Rechtsstreit gegen seinen Nachunternehmer). Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (BGH NJW 20, 3653 [BGH 17.06.2020 - VII ZR 111/19] Rz 28; 14, 2574 Rz 17; 12, 3633 Rz 36). Soweit aus Sicht des Empfängers die Bereitschaft zur Findung einer einverständlichen Regelung von Seiten des Schuldners geäußert wird, ist schon von Verhandlungen auszugehen (BGH NJW 07, 1723 Rz 6: zur Ankündigung der Mitteilung, wie die weitere Vertretung erfolge; 01, 1723; enger NJW 86, 2309, 2312 [BGH 06.02.1986 - III ZR 109/84]), nicht jedoch bei bloßer Zahlungsaufforderung (BGH 21.6.18 – IX ZR 129/17 Rz 11) oder Darlegung der Gründe der iÜ eindeutigen Ablehnung des Anspruchs (Kobl OLGR 06, 569) oder einer bloßen Eingangsanzeige. Laufen Verhandlungen, setzt die Erklärung des Schuldners, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die Verjährungseinrede nicht zu erheben, dem Hemmungstatbestand keine zeitliche Grenze (BGH NJW 04, 1654 [BGH 17.02.2004 - VI ZR 429/02]). Die gemeinschaftliche Prüfung von Mängeln führt ebenso zur Verhandlung wie die Aufforderung zu Verhandlungen im Fall entspr vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtungen, ebenso ein Widerrufsvergleich bei Güteverhandlung (BGH NJW 05, 2004, 2006). In persönlicher Hinsicht beschränkt sich die Hemmung auf die Personen, in deren Verhältnis der Hemmungsgrund besteht. Sie wirkt zB nicht zulasten anderer Gesamtschuldner (Frankf ErbR 14, 31 Rz 43: zu Pflichtteilsansprüchen ggü Miterben) oder zugunsten anderer Gesamtgläubiger, § 425 II, § 429 III1. Zugunsten oder zulasten des Rechtsnachfolgers wirkt nur die bei seinem Rechtsvorgänger schon verstrichene Hemmung; ob die Hemmung bei ihm andauert, hängt hingegen davon ab, ob der Hemmungsgrund in seiner Person fortbesteht; § 407 greift nicht (BGH 1.7.14 – VI ZR 391/13 Rz 25, 33, 39: zum Sozialleistungsträger). Wohl aber bewirken die Verhandlung des Hauptschuldners mit dem Gläubiger Hemmung auch ggü dem Bürgen (§ 768 Rn 15; BGH NJW-RR 10, 975 [BGH 14.07.2009 - XI ZR 18/08] Rz 21), die mit dem Kfz-Versicherer zur Hemmung der Ansprüche gegen den Halter (BGH NJW 82, 1761, 1762 [BGH 02.03.1982 - VI ZR 245/79]), und die des Verwalters einer WEG die Hemmung der Verjährung der Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer (BGH NJW 10, 3089 [BGH 19.08.2010 - VII ZR 113/09] Rz 24). Bei gewillkürter Prozessstandschaft tritt Hemmung erst ein, wenn Verhandlungsvollmacht besteht und die Vertretung prozessual offengelegt oder offensichtlich ist (BGH 12.12.13 – III ZR 102/12 Rz 36). Verhandlungen ohne Vertretungsmacht können nicht mit verjährungsrechtlicher Rückwirkung genehmigt werden (BGH 1.7.14 – VI ZR 391/13 Rz 27). Bei der Berechnung des Hemmungszeitraums ist ggf hinzuzurechnen die Zeit zur Überprüfung gerügter Mängel durch einen Unternehmer, der beim Besteller den Eindruck erweckt, er werde den Mangel prüfen bzw sich um ihn kümmern, wobei der Besteller hiermit einverstanden ist (BGH NJW 07, 587 [BGH 26.10.2006 - VII ZR 194/05] Rz 12 f; 13, 969 Rz 17).

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