Gesetzestext

 

Soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstands fehlen, sind sie in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Behebung des Mangels auf Antrag eines Beteiligten von dem Amtsgericht zu bestellen, das für den Bezirk, in dem der Verein seinen Sitz hat, das Vereinsregister führt.

A. Verfahren.

 

Rn 1

Das nach § 55 zuständige AG handelt gem § 3 Nr 1a RPflG durch den Rechtspfleger nur auf Antrag eines Beteiligten, in seltenen Ausnahmefällen auch auf Initiative des Gerichts (BayObLG NJW-RR 89, 765). Das Verfahren folgt dem FamFG. Es gilt die Amtsermittlung, der Beschl wird mit Bekanntmachung wirksam, ist abänderbar und unterliegt der Beschwerde (§§ 26, 38, 40, 41, 48, 58, 384 FamFG).

 

Rn 2

Die Auswahl des Notvorstands unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und va Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Soweit der Notvorstand anlässlich der durch interne Streitigkeiten begründeten Handlungsunfähigkeit des eV erforderlich wird, empfiehlt es sich, ein möglichst neutrales Vereinsmitglied zu bestellen (vgl KG Rpfleger 12, 634 [KG Berlin 29.03.2012 - 25 W 102/11]), zB ein Gründungs- oder ein Ehrenmitglied. Der Ausgewählte wird erst mit der notwendigen Annahme des Amtes Notvorstand (KG NJW-RR 01, 900, 901 [KG Berlin 04.04.2000 - 1 W 3052/99] für GmbH). Kann das Gericht keine geeignete amtsübernahmebereite Person ermitteln, lehnt es den Antrag auf Bestellung eines Notvorstands ab (Frankf GmbHR 06, 204 für GmbH).

B. Geltungsbereich.

 

Rn 3

Die Vorschrift erfasst nicht Personengesellschaften (BGH NJW 14, 3779 – GbR) oder juristische Personen des Öffentlichen Rechts, sondern gilt für die privatrechtliche Stiftung sowie für alle privatrechtlichen körperschaftlich strukturierten Gesellschaften soweit keine Sonderregelungen bestehen, also für den nichtrechtsfähigen Verein (LG Berlin NJW 70, 1047), die GmbH (BGH NJW 83, 938; Ddorf NZG 21, 882; Karlsr NZG 22, 1349), die eG (BGHZ 18, 334, 337), die KGaA und GmbH & Co KG (Saarbr OLGZ 77, 291, 293), angesichts des § 85 AktG aber nicht für die AG. Bei Vereinen mit ›ideologischen‹ Bezügen wie zB politischen Parteien oder Gewerkschaften ist § 29 mit der Einschränkung anwendbar, dass das Gericht die Befugnisse des Notvorstands auf das Abwickeln dringender Rechtsgeschäfte und die Berufung einer Mitgliederversammlung zur Wahl eines neuen Vorstands zu beschränken hat. Kann das Parteischiedsgericht einen Notvorstand einsetzen, erübrigt sich die Tätigkeit des AG nach § 29 (Hamm NJW-RR 89, 1532 [OLG Hamm 16.01.1989 - 8 U 5/88]; vgl auch KG RPfleger 20, 596). Insb bei der GmbH ist die Notbestellung Ultima Ratio (Karlsr NZG 22, 1349).

C. Voraussetzungen.

I. Fehlen der erforderlichen Vorstandsmitglieder.

 

Rn 4

Die erforderlichen Vorstandsmitglieder fehlen, wenn der Vorstand ohne sie keine Beschlüsse fassen oder nicht nach außen handeln kann, wenn Vorstandsmitglieder zB aufgrund Tod, Geschäftsunfähigkeit, Rücktritt vom Vorstandsamt, Abwesenheit oder §§ 34, 181 (BayObLGZ 89, 298, 306) nicht handlungsfähig sind oder faktisch jede Tätigkeit verweigern (Schleswig FGPrax 13, 127) oder wenn die Vertretung unklar ist (Ddorf NZG 16, 1068 [BVerwG 15.06.2016 - BVerwG 9 C 19.15]). Der Austritt der Vorstandsmitglieder eines Landesverbands aus dem Bundesverband reicht allein nicht aus (Ddorf NZG 16, 305 [OLG Düsseldorf 23.12.2015 - I-3 Wx 243/15]). Die Notbestellung soll nicht erforderlich sein bei Nichtigkeit der Abberufung eines Vorstandsmitglieds (BayObLG DB 98, 68). Das kann aber nicht gelten, wenn der Verein durch das Gegeneinander von (vermeintlichen) Vorstands- und ggf Vereinsmitgliedern so blockiert ist, dass es an der Handlungsfähigkeit des Vorstands fehlt und diese auch nicht aus eigener Kraft wiederhergestellt werden kann (vgl Köln ZInsO 02, 834). Bei umstrittener, aber wirksamer Vorstandswahl scheidet § 29 aus (München NZG 10, 1034).

II. Dringende Fälle.

 

Rn 5

Sie liegen vor, wenn den Interessen des Vereins, seiner Gläubiger oder anderer Beteiligter (jeder, dessen Rechtsstellung die Vorstandsbestellung berührt, auch ein Vereinsmitglied (Schleswig FGPrax 13, 127), dessen Mitgliedschaft ruht, Ddorf NZG 12, 272) nicht nur unerhebliche Nachteile drohen und diese nicht durch andere Maßnahmen zu verhindern sind (vgl München NotBZ 10, 423), zB bei durch Zahlungen zu erfüllenden Dauerschuldverhältnissen (Ddorf NZG 16, 1068 [BVerwG 15.06.2016 - BVerwG 9 C 19.15]). Kann der eV rechtzeitig die erforderlichen Vorstandsmitglieder bestellen, bedarf es keiner Maßnahme nach § 29, ebensowenig solange die Vereinsorgane erfolgversprechende Lösungsversuche unterlassen haben (Frankfurt GmbHR 11, 1151 – zur GmbH). Will ein Gläubiger den eV in Anspruch nehmen und ist bereits ein Verfahrenspfleger nach § 57 ZPO bestellt, scheidet § 29 aus (Zweibr NJW-RR 01, 1057); umgekehrt schließt die Möglichkeit, einen Notvorstand zu bestellen, nicht die Bestellung eines Verfahrenspflegers aus (Zweibr GmbHR 07, 544). Erschöpft sich die dringliche Tätigkeit des Vorstands nicht in der Prozessvertretung, geht die umfassende Maßnahme nach § 29 dem § 57 ZPO vor (BayObLG NJW-RR 99, 1259; aA München GmbHR 07, 1108, da § 57 ZPO weniger einschneidend sei). In Analogie zu § 121...

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