Rn 23

Da der redliche Schuldner idR zunächst die fällige Forderung befriedigen wird, kommt es primär auf die Fälligkeit an, die nach dem Maßstab des § 271 zu ermitteln ist.

 

Rn 24

Sind bereits mehrere Forderungen fällig und reicht die Leistung nicht zur Befriedigung des Gläubigers aus, so verdient sein Tilgungsinteresse den Vorrang, zumal der Schuldner eine Tilgungsbestimmung hätte treffen können. Maßgebend ist daher, welche Forderung dem Gläubiger die geringere Sicherheit bietet. Wann eine höhere Sicherheit besteht, ist nicht nach einem absoluten Maßstab, sondern durch einen Vergleich unter den Forderungen zu bestimmen. Maßgebend ist eine wirtschaftliche Betrachtung unter Berücksichtigung der hierfür maßgebenden rechtlichen Faktoren. Die höhere Sicherheit wird sich häufig aus dem Bestehen eines Sicherungsrechts ergeben. Ob die Sicherheit durch den Schuldner oder einen Dritten gestellt wurde, ist gleichgültig (BGH JZ 76, 64). Höhere Sicherheit besteht: bei Mithaftung einer weiteren Person (BGHZ 146, 37), bspw im Falle des Bestehens einer Bürgschaft (BGH NJW 84, 2455; NJW-RR 86, 518) oder der Mithaftung mehrerer Gesamtschuldner (BGH 23.10.90 – XI ZR 16/90; fragwürdig Köln ZIP 11, 863); wenn zwar alle Forderungen gesichert sind, aber für eine Forderung eine zusätzliche Sicherheit besteht (BGH NJW 97, 2514 [BGH 29.04.1997 - XI ZR 176/96]; selbst bei Vorliegen einer zweiten Bürgschaft desselben Bürgen: BGH NJW-RR 04, 405 [BGH 25.11.2003 - XI ZR 379/02]); bei Vorliegen eines Titels für die Forderung (BGH JZ 84, 151); bei einer erst später drohenden Verjährung oder sonstigen Ausschlussfrist (BGH BB 57, 767; MDR 76, 387; NJW 87, 181, 182 [BGH 02.10.1986 - III ZR 163/85]); wenn kein Auflösungstatbestand im Raum steht (BGH MDR 76, 387). Bei Sozialversicherungsbeiträgen besteht oft die größere Sicherheit bei den vom Arbeitgeber abzuführenden Arbeitnehmeranteilen, weil der Arbeitgeber diese nur treuhänderisch einbehält und ihre Nichtabführung deshalb unter besonderer Strafdrohung steht (BGH WM 82, 1032; vgl auch WM 80, 744).

 

Rn 25

Die Lästigkeit einzelner Forderungen für den Schuldner ist nach den mit der Nichterfüllung verbundenen Rechtsfolgen, insb nach der Schwere der damit verbundenen Nachteile, zu beurteilen. Besonders nachteilig kann eine Vertragsstrafe oder die drohende Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses sein (Jena RdL 98, 36). Grds käme zwar auch eine titulierte Forderung als die lästigere in Betracht (vgl BGH NJW 83, 2773). Allerdings kann die Titulierung schon zum Vorliegen einer höheren Sicherheit führen, so dass für eine Berücksichtigung bei der Lästigkeit kein Raum mehr ist (vgl Rn 24). Größere Lästigkeit begründet aber die bereits vorliegende Rechtshängigkeit.

 

Rn 26

Für das Alter einer Schuld ist auf den Entstehungsgrund abzustellen, nicht auf die Fälligkeit oder den Zeitpunkt des Erwerbs durch Abtretung. Deshalb kommt den durch Aufspaltung einer ursprünglich einheitlichen Forderung entstandenen Forderungen grds der gleiche Rang zu (BGH NJW 91, 2629). Für die verhältnismäßige Befriedigung der Gläubiger ist die Höhe ihrer jeweiligen Forderung zueinander ins Verhältnis zu setzen (BGHZ 46, 242, 244; NJW 91, 2629), so dass jede Forderung zu einem gleichen prozentualen Anteil getilgt wird.

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