Rn 5

Durch tarifvertragliche Regelungen können nach IV 1 gesetzliche Kündigungsfristen verkürzt (oder verlängert) werden, auch durch Änderung der Anzahl der Kündigungstermine sowie in Kleinbetrieben durch Verzicht auf die Staffelung nach Alter und Betriebszugehörigkeit (BAG DB 08, 2028). Eine Differenzierung innerhalb der Arbeitnehmerschaft ist wegen Art 3 I GG (§ 611 Rn 48 ff) nur bei sachlichem Grund zulässig (BVerfG NZA 90, 721 [BVerfG 30.05.1990 - 1 BvL 2/83]), daher zwischen Arbeitern und Angestellten regelmäßig sachwidrig (vgl BAG NZA 10, 701 [BAG 16.02.2010 - 3 AZR 216/09]). Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags können nach IV 2 nicht tarifgebundene ArbG und ArbN die Anwendung der tarifvertraglichen Kündigungsfristen vereinbaren.

 

Rn 6

Abweichende individualvertragliche Vereinbarungen sind – abgesehen von IV 2 – nur nach V zulässig. (Ausnahme: vertragliches Recht des ArbN zur vorzeitigen Beendigung gegen Abfindung [BAG NZA 16, 361]). Bei Aushilfskräften kann gem V 1 Nr 1 die Grundkündigungsfrist bis zur Vereinbarung der fristlosen Kündigungsmöglichkeit verkürzt werden (BAG NZA 87, 60 [BAG 22.05.1986 - 2 AZR 392/85]). Dem Wortlaut von V 1 Nr 2 zufolge kann in Kleinunternehmen lediglich auf Kündigungstermine, nicht jedoch auf die Grundkündigungsfrist des I verzichtet werden. Damit wäre die Vorschrift weitgehend überflüssig, daher ist ›verständige Auslegung‹ geboten (Staud/Preis § 622 Rz 48). Für den Schwellenwert im Unternehmen, nicht: Betrieb (§ 611 Rn 33 ff), werden ruhende Arbeitsverhältnisse nicht, Teilzeitbeschäftigte nach V 2 berücksichtigt.

 

Rn 7

Die Vereinbarung von längeren Fristen oder weniger Kündigungsterminen ist grds zulässig (V 3), wenn für den ArbN günstiger (BAG NZA 15, 673 [BAG 29.01.2015 - 2 AZR 280/14]), eine unbegrenzte Bindung des ArbN wegen Art 12 GG jedoch nicht. Bindung von einem Jahr ist idR unproblematisch (BAG AP Nr 7 zu § 611 – ›Treuepflicht‹; AP Nr 37 zu § 256 ZPO 1977: Kündigungsfrist von 6 Monaten bei nur einem Kündigungstermin/Jahr); beiderseitige Kündigungsfrist von mehr als einem Jahr kann unangemessen sein (BAG NZA 18, 297, Anm Lingemann ArbR 17, 569).

 

Rn 8

Nichtige individualvertragliche Kündigungsbestimmungen (§§ 134, 138) sind durch ergänzende Vertragsauslegung, ggf gesetzliche Regelung (BAG AP Nr 13 zu § 622), zu ersetzen.

 

Rn 9

Soweit individual- oder tarifvertraglich von gesetzlichen Kündigungsfristen gem IV u V abgewichen werden kann, darf gem VI die Arbeitnehmerkündigung nicht an längere Fristen gebunden oder auf weniger Kündigungstermine beschränkt werden als die Arbeitgeberkündigung (BAG NZA 09, 370 [BAG 25.09.2008 - 8 AZR 717/07]; anders bei Änderungskündigung BAG NZA 19, 246). Eine Schlechterstellung des ArbG ist zulässig. Bei Verletzung von VI gelten die kürzeren Kündigungsfristen auch für den ArbN (BAG NZA 19, 246 [BAG 18.10.2018 - 2 AZR 374/18]). Das Kündigungsrecht des ArbN darf auch nicht faktisch erschwert werden, zB durch Kündigungssanktionen wie Vertragsstrafen (BAG NZA 90, 147) oder den Verfall bereits verdienten Arbeitsentgelts (BAG NZA 14, 368 [BAG 13.11.2013 - 10 AZR 848/12]).

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