Rn 20

Ziel der Schaffung eines neuen, einheitlichen Sachmangelbegriffs für Kauf- und Werkvertrag war es, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umzusetzen, nach deren Art 2 II die Vertragsgemäßheit von Verbrauchsgütern vermutet wird, wenn diese

  • mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung übereinstimmen;
  • sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignen;
  • sich für Zwecke eignen, für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden;
  • eine Qualität und Leistungen aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher (nach den Umständen) vernünftigerweise erwarten kann;

Die sich so ergebenden Anforderungen an die Vertragsgemäßheit des Verbrauchsguts gelten für den Regelungsbereich der Richtlinie kumulativ (Thode NZBau 02, 297, 304; iErg ebenso: Grüneberg/Retzlaff § 633 Rz 5 f). Das entspricht weitgehend dem unter der Geltung des alten Schuldrechts etablierten Sachmangelbegriff, wonach das vertragsgerechte Gewerk nicht nur den subjektiv von den Parteien (als Beschaffenheiten) vereinbarten Qualitätsparametern entsprechen, sondern zur Verwirklichung des funktionalen Werkerfolgs (s dazu § 631 Rn 1) auch zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch (Zweck) taugen muss (vgl § 633 I aF).

 

Rn 21

Dieser Regelungszusammenhang ist im Wortlaut des § 633 II in reparaturbedürftiger Verkennung der sich hieraus ergebenden Konsequenzen unterrepräsentiert. Danach würde nämlich gelten: Soweit der Unternehmer die regelmäßig in den Ausführungsvorgaben des Bestellers enthaltenen Beschaffenheitsvereinbarungen umsetzt, ist sein Gewerk mangelfrei. Das wäre völlig unzureichend, weil mit dem Grundsatz der Erfolgsbezogenheit der Werkleistungsverpflichtung nicht in Einklang zu bringen. So entspricht es – zu Recht – der st Rspr des BGH, dass der Unternehmer auch dann nicht vertragsgerecht gearbeitet hat, wenn er zwar die Ausführungsvorgaben des Bestellers (Beschaffenheitsvereinbarungen) beanstandungsfrei umgesetzt, gleichwohl aber den funktionalen Erfolg seiner Werkleistung verfehlt hat (so jetzt ausdrücklich für das neue Schuldrecht: BGH BauR 08, 344 = NJW 08, 511; zum alten Recht: BGH NJW-RR 02, 1533; BauR 01, 823; NJW 98, 3707 f; BauR 84, 510, 512 f; BGHZ 90, 344, 346 f). Dabei geht der Gesetzgeber (RegEntw 499) offenbar davon aus, dass die Funktionalität regelmäßig zur vereinbarten Beschaffenheit gehört. Diese Sichtweise, welche die Funktionalität unterscheidungslos dem Tatbestandmerkmal der Beschaffenheitsvereinbarung zuordnet, liegt wohl auch der jüngsten Rspr des BGH zugrunde (BGH BauR 08, 344 = NJW 08, 511). Sie greift nach hier vertretener Auffassung jedenfalls in der dogmatischen Herleitung zu kurz und überzeugt insoweit nicht. Denn die Funktionalitätserwartung der Vertragsparteien reicht idR nicht weiter, als die rechtsgeschäftlichen Abreden, denen sie innewohnt. Sie betrifft zunächst also nur die Beschaffenheitsvereinbarungen selbst, das Gesamtergebnis der Werkleistungen, dessen Funktionalität der Unternehmer zu gewährleisten hat, hingegen nur dann, wenn diese durch die Einhaltung der Beschaffenheitsvereinbarungen überhaupt erreicht werden kann (iE ebenso: MüKo/Busche § 633 Rz 14). Das ist keineswegs selbstverständlich, wie folgendes Bsp verdeutlichen mag: Der Unternehmer soll einen Industrieestrich in einer Werkhalle des Bestellers verlegen, die – zu seiner Kenntnis – mit schwerem Gerät befahren wird. Im Leistungsverzeichnis sind Hersteller und Typ des Estrichmaterials sowie dessen Verarbeitung konkret vorgegeben. Obwohl der Unternehmer sich exakt an diese Vorgaben hält, zeigen sich im Estrich alsbald Risse, weil dieser den Belastungen durch die nach dem Vertrag vorausgesetzte Benutzung mit schwerem Gerät nicht standhält. Dann ist das Gewerk nach der vorerwähnten Rspr des BGH trotz der beanstandungsfreien Abarbeitung aller Ausführungsvorgaben mangelhaft, weil der Estrich zwar den an ihn zu stellenden Funktionsanforderungen genügt, gleichwohl aber der funktionale Werkerfolg nicht erreicht ist (zu den Anforderungen an die Mängelhaftung des Unternehmers in solchen Fällen vgl Rn 22). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese nach altem Recht weit gehend unumstr Grundsätze mit der Einführung des neuen § 633 II hat in Frage stellen wollen (so ausdrücklich BGH BauR 08, 344 = NJW 08, 511). Er hat sie nach dem Wortlaut der Vorschriften des § 633 II durch die Schaffung einer Alternativität zwischen den einzelnen Stufen des Mangelbegriffs gleichwohl teilweise außer Kraft gesetzt. Denn der Grund für die Mangelhaftigkeit der Werkleistung liegt im vorerörterten Fall nicht in der fehlerhaften Umsetzung der Beschaffenheitsvereinbarungen, sondern in der fehlerhaften Ausschreibung, die einen Estrich vorgegeben hat, der den Anforderungen an den vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck nicht genügt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für den Mangelvorwurf ist dann aber nicht die Nichteinhaltung von Beschaffenheitsvereinbarungen (1. Stufe), sondern die Verfehlung der nach ...

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