Rn 3

§ 638 III gibt vor, wie die Minderung zu berechnen ist: Die geminderte Vergütung muss in demselben Verhältnis zum vollen Werklohn stehen, in dem der Wert der mangelhaften Leistung zum Wert der vertragsgerechten (mangelfreien) Werkleistung steht. Maßgeblich ist der (objektive) Verkehrswert, der nicht notwendig der vereinbarten Vergütung und damit den subjektiven Wertvorstellungen der Vertragsparteien entspricht (Staud/Peters/Jacoby § 634 Rz 113; MüKo/Busche § 638 Rz 10). Hat eine mangelhafte Architektenleistung zu einem Mangel am Bauwerk geführt, ist deshalb bspw bei der Berechnung der Minderung der Wert des mangelhaften Architektenwerks (nicht des Bauwerks) im Verhältnis zum mangelfreien heranzuziehen (BGH NJW 72, 821 [BGH 24.02.1972 - VII ZR 177/70]). Entgegen einer bisher weit verbreiteten Handhabung (vgl hierzu Nachw in der 13. Aufl) können hierfür fiktive Mängelbeseitigungskosten regelmäßig nicht als Maßstab herangezogen werden (BGH NJW 18, 1463 [BGH 22.02.2018 - VII ZR 46/17] unter Aufgabe früherer Rspr).

 

Rn 4

Stattdessen ist der Minderungsbetrag gem § 638 III 2 anderweitig zu schätzen. Hierfür kommt beispielsweise eine Schadensbemessung anhand der Vergütungsanteile in Betracht, die auf die mangelhafte Leistung entfallen (vgl zB BGHZ 153, 279, 284 für die Ausführung mit minderwertigem Material). Ergeben sich die Vergütungsanteile nicht aus dem Vertrag, sind sie zu schätzen (vgl zum Reisevertragsrecht BGH NJW 18, 789 [BGH 21.11.2017 - X ZR 111/16]; zu optischen Fehlern zB Ddorf, NJW-RR 1994, 341; zu möglichen Schätzmethoden ferner Messerschmidt/Voit/Moufang/Koos, § 638 BGB Rz 24; jurisPK/Genius § 638 Rz 18 aE, 20; Staud/Peters § 634 Rz 113–115). Eine standardisierte Schätzungsmethode ist das sog Zielbaumverfahren nach Aurnhammer (Aurnhammer BauR 83, 97; zust: Pauly BauR 02, 1321, 1323 f). Bei völlig unbrauchbarer Werkleistung mindert sich der Werklohn ggf auf null (BGHZ 42, 232). IÜ ist bei der Bestimmung der geminderten Vergütung ein evtl Mitverschulden des Bestellers (bspw Verstoß gegen Mitwirkungs- oder Kooperationspflichten) in entspr Anwendung des § 254 zu berücksichtigen. Dann ist der zunächst nach obigen Grundsätzen ermittelte Minderungsbetrag quotal um den Verursachungsanteil des Bestellers zu kürzen.

 

Rn 5

§ 638 III 1 bestimmt jetzt ausdrücklich, dass der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend sein soll für die Berechnung der Minderung. Das ist für den Kauf (dort ebenso in § 441 III) unproblematisch, führt hingegen für das Werkvertragsrecht uU zu erheblichen Problemen, wenn bei umfangreichen Bauvorhaben mit langer, oft mehrjähriger Planungs- und Bauzeit Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Wert der vertraglich geschuldeten Bauleistung in der Zeit zwischen Vertragsschluss und Abnahme eine feststellbare Veränderung erfahren hat. Dann ist es kaum einzusehen, dass für die Berechnung der Minderung der Zeitpunkt des Vertragsschlusses der maßgebliche sein soll. Deshalb entsprach es nach altem Recht stRspr des BGH (BGH NJW 96, 3001; BGHZ 58, 181, 183) und ganz hM in der Lit (zum Meinungsstand: Kapellmann/Messerschmidt/Langen Teil B, § 13 Rz 402 f), die Berechnung der Minderung nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt der Abnahme vorzunehmen (Durch die Verweisungssystematik in § 634 I, IV war für den Werkvertrag die Möglichkeit eröffnet, einen anderen als den in § 472 I genannten Zeitpunkt – Verkauf der Sache – heranzuziehen). Ob sich der in alledem zu Tage tretende gesetzgeberische Missgriff bei der Neufassung des § 638 durch Aufrechterhaltung der bisherigen Rspr im Wege einer teleologischen Reduktion (Teichmann JuS 02, 417, 421) oder der berichtigenden Auslegung (Weyer Jahrbuch Baurecht 04, 243, 250 f; Kapellmann/Messerschmidt/Langen Teil B, § 13 Rz 403) des § 638 III S 1 aufrechterhalten lässt, ist umstr (Dagegen: Wirth BauR 02, 53; Kemper BauR 02, 1613, 1617 f; Grüneberg/Retzlaff § 638 Rz 4 mwN).

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