Gesetzestext

 

Wer einen anderen durch Hinterlist, Drohung oder Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen bestimmt, ist ihm zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

A. Funktion und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

§ 825 schützt die sexuelle Selbstbestimmung und überschneidet sich mit Ansprüchen aus § 823 I wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und aus § 823 II iVm §§ 174 ff StGB. Eine eigenständige Funktion kommt der Vorschrift nach der Einbeziehung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts in den Persönlichkeitsschutz und der ungewollten Schwangerschaft in den Tatbestand der Körperverletzung nach § 823 I nicht zu. Die Beibehaltung des durch das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz modifizierten und teilw erweiterten § 825 hat va ›Signalwirkung‹ (s BTDrs 14/7752, 26); das spricht dafür, dass der Anspruch aus § 825 mit den genannten Ansprüchen frei konkurriert (s nur Kilian JR 04, 309, 310; Erman/Wilhelmi § 825 Rz 2 mwN; differenzierend Strätz JZ 03, 448, 453 f).

B. Regelungsinhalt.

 

Rn 2

Das Bestimmen zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen als Tathandlung erfasst heute alle Geschlechter sowie Kinder und ist nicht mehr auf außereheliche Handlungen beschränkt (zu Unterschieden zum Strafrecht BeckOGK/Spindler § 825 Rz 2). Gewaltanwendung ist nicht erforderlich; eine Einwirkung auf die Willensentschließung reicht aus (BeckOGK/Spindler § 825 Rz 3; Grüneberg/Sprau § 825 Rz 3).

 

Rn 3

Tatmodalitäten sind Hinterlist (vorbedachtes, die wahre Absicht verdeckendes Handeln zu dem Zweck, den unvorbereiteten Zustand der Person zur Verwirklichung des Vorhabens zu benutzen, Karakatsanes MDR 89, 1041, 1047 mwN), Drohung (In-Aussicht-Stellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt) oder Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses (Ausnutzen einer tatsächlichen Überlegenheit des Schädigers). Str ist, ob der Täter für den Fall der Weigerung Nachteile in Aussicht stellen muss (so zB BeckOGK/Spindler § 825 Rz 6) oder ob es ausreicht, dass er sich der Beeinträchtigung der Willensfreiheit des anderen bewusst ist (so zB RGRK/Steffen § 825 Rz 6; NK-BGB/Katzenmeier § 825 Rz 4; Kilian JR 04, 309, 311).

 

Rn 4

Ein Verschulden wird nicht gesondert erwähnt, aber in jeder der Tatmodalitäten ist bereits Vorsatz enthalten; zusätzlich ist daher nur noch die Verschuldensfähigkeit zu prüfen.

 

Rn 5

Der Schadensersatz erfasst insb den Ersatz immaterieller Schäden gem § 253 II, aber auch Vermögensschäden. Fraglich ist, ob wegen der Belastung mit der Unterhaltspflicht für ein nicht gewolltes Kind Schadensersatz nach § 825 verlangt werden kann (einschr Kilian JR 04, 309, 312: Kosten von Schwangerschaft und Entbindung) oder nur nach § 823 I wegen Körper- oder Gesundheitsverletzung der Mutter (so zB Erman/Wilhelmi § 825 Rz 1). Die zweite Ansicht harmoniert besser mit der Nichtanwendung des § 1600d II durch die Rspr (s.u. Rn 6); aus ihr folgt, dass nach § 825 va die unmittelbar auf die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung zurückzuführenden Schäden zu ersetzen sind.

 

Rn 6

Der Geschädigte muss sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen (also auch das im Tatbestand konkretisierte Verschulden) beweisen und kann sich dabei nicht auf die Vermutung des § 1600d II stützen (RG JW 1909, 415, 416, zu § 1717 aF).

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