Rn 22

Anspruchsfolge ist eine ›angemessene Entschädigung in Geld‹ für ›das seelische Leid‹, was die Frage der Bemessung aufwirft. Der Bezug auf das ›seelische Leid‹ könnte in dem Sinne verstanden werden, dass das konkrete Leid entschädigt werden solle; dies wäre aber mit Blick auf die Gesetzesbegründung, einen gegenüber dem Schockschaden (bei dem es denknotwendig auf die Bemessung des konkret erlittenen Schocks als eigenem Gesundheitsschaden ankommt) eher kontraproduktiv. Wünschenswert wäre daher eine eher pauschale Bemessung. Auch die Gesetzesbegründung legt die Bemessung in die Hände der Judikatur, geht aber (in der Kostenschätzung) von 10.000 EUR Hinterbliebenengeld aus und verweist darauf, dass das – tatbestandlich vorausgesetzte – Näheverhältnis regelmäßig ein seelisches Leid aufgrund des Todesfalles indiziere. Eine solche eher pauschale Bemessung hätte den Vorteil, den Hinterbliebenen den ansonsten zum Vortrag des seelischen Leids erforderlichen ›Seelenstriptease‹ zu ersparen und würde auch die erwartbare Unbilligkeit vermeiden, gerade denjenigen geringer zu entschädigen, der still und ohne attestierbare therapeutische Hilfe leidet, dem aber ebenso wie demjenigen, der eine Vielzahl eloquenter Therapeuten aufsucht, ein Angehöriger genommen wurde. Insoweit sollte der Fokus mehr auf dem Verlust eines Angehörigen als solchem liegen, der – wenngleich naturgemäß ohnehin nicht finanziell kompensierbar – solcherart einer pauschalen Bemessung eher zugänglich wäre. Die finanzielle Belastung der Versicherer bliebe angesichts dessen, dass die Zahl der Todesfälle im Straßenverkehr seit Jahren konstant unter 4.000 liegt (und hierbei noch nichts über die Haftungsquote, § 846, gesagt ist) ohnehin überschaubar und selbst für die Regulierung aller deutschen Verkehrstodesfälle eines ganzen Jahres immer noch deutlich hinter den (materiellen und immateriellen) Kosten für die Regulierung auch nur eines Schwerstschadensfalles zurück. Gleichwohl hat BGH VersR 23, 256 Einzelfallbemessung gefordert und darauf hingewiesen, dass beim Vergleich von Schockschadenssummen und Hinterbliebenengeld der Schockschaden noch eine Gesundheitsbeeinträchtigung kompensiere, das Hinterbliebenengeld aber ›nur‹ das seelische Leid, so dass Letzteres geringer ausfallen müsse. Hiergegen wiederum kann aber angeführt werden, dass nach der Gesetzesbegründung nicht nur die höhere Wertigkeit von Leid und Trauer betont werden sollte, sondern auch eine Annäherung ›an das Entschädigungsniveau anderer europäischer Rechtsordnungen‹ angestrebt war, die nahezu durchweg bei zT deutlich höheren Beträgen liegen. In einer der ersten Entscheidungen hierzu hat das LG Tübingen (DAR 19, 468) der Ehefrau eines Getöteten unter Hinweis auf eine 30-jährige Ehe 12.000,00 EUR zugebilligt, den Kindern einheitlich 7.500,00 EUR (weil ihnen nicht zu vermitteln sei, warum die Kinder in Haushaltsgemeinschaft mit dem Getöteten mehr bekommen sollten als die anderen Kinder) und dem Bruder (der mit dem Getöteten mehrfach Motorrad-Urlaubsfahrten unternommen hatte) 5.000,00 EUR. Das LG Wiesbaden (SVR 20, 142) geht von (max) 10.000,00 EUR aus, das LG Leipzig (DAR 21, 95) hat bei Verlust der minderjährigen Tochter jedem Elternteil 15.000,00 EUR zuerkannt, ebenso das OLG Celle (ZfS 22, 558). Das OLG Köln (VersR 22, 1109) billigte bei Tod der volljährigen, im elterlichen Haushalt lebenden Tochter mit ausführlicher Begründung zu den Bemessungsfaktoren 12.000,00 EUR zu, das OLG Koblenz (MDR 21, 168) 8.000,00 EUR für den Tod der Schwiegertochter.

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