Rn 20

Als Ausgleich für den ausgeschlossenen Abwehranspruch aus §§ 903, 1004 I hat der Überbauende (Rn 2 f) den betroffenen Nachbarn durch die Zahlung einer Geldrente zu entschädigen (II 1). Das gilt auch zugunsten des Nachbarn, dessen Sonderrechtsvorgänger der Errichtung des Überbaus zugestimmt hat (NJW 83, 1112 [BGH 21.01.1983 - V ZR 154/81]). Die Überbaurente soll den Nutzungsverlust ausgleichen, welchen der betroffene Nachbar durch die Überbauung seines Grundstücks erleidet (BGHZ 65, 395, 398).

 

Rn 21

Der Anspruch entsteht in dem Zeitpunkt, in welchem die Grundstücksgrenze überbaut wird. Auf die Kenntnis des Überbauenden oder des Nachbarn von der Grenzüberschreitung kommt es nicht an. Wird diese erst später entdeckt, ist die Rente entspr nachzuzahlen.

 

Rn 22

Für die Höhe der Rente sind ebenfalls ausschl die Wertverhältnisse zur Zeit der Grenzüberschreitung (II 2) bzw bei Grundstücksteilung in der Weise, dass ein aufstehendes Gebäude von der neuen Grenze durchschnitten wird, im Zeitpunkt der Grundstücksteilung maßgeblich (BGH MDR 14, 269); unerheblich sind der Zeitpunkt, in welchem der Nachbar erstmals durch den Überbau beeinträchtigt wird, sowie nach der Grenzüberschreitung eintretende Wertveränderungen (BGHZ 97, 292, 297). Eine Anpassung der Rente an veränderte Umstände scheidet demnach aus (BGHZ 57, 304, 305).

 

Rn 23

Die Höhe der Überbaurente bemisst sich nach dem Verkehrswert der überbauten Fläche, der in der üblichen Weise zu ermitteln ist (BGHZ 57, 304, 306). Er ist angemessen zu verzinsen. Auch die Angemessenheit beurteilt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Grenzüberschreitung.

 

Rn 24

Neben der Überbaurente kommt ein Schadensersatzanspruch des Nachbarn gegen den Überbauenden, auch wenn diesem einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, oder ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 II 2 analog (dazu § 906 Rn 41 ff) nicht in Betracht (BGHZ 97, 292, 295); § 912 II ist in seinem Anwendungsbereich eine abschließende gesetzliche Sonderregelung. Geht es dagegen um eine Eigentumsverletzung, die über den Entzug der Bodennutzung hinausgeht, hat der Nachbar einen Schadensersatzanspruch gegen den fahrlässig Überbauenden aus § 823 I (BGHZ 57, 304, 308 f). Hat der Überbauende nicht einmal fahrlässig, sondern schuldlos gehandelt, kommt als Ersatz für andere Schäden als für den Verlust der Bodennutzung ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 II 2 analog in Betracht (BGHZ 28, 110, 114, 116).

 

Rn 25

Wegen der fehlenden Haftung des Überbauenden für ein Verschulden des mit der Errichtung des Gebäudes beauftragten Bauunternehmers (Rn 14) soll ein Schadensersatzanspruch des Nachbarn gegen diesen aus § 823 I nicht ausgeschlossen sein (vgl BGHZ 57, 304, 308). Die Gegenauffassung stützt sich darauf, dass es keinen Unterschied machen könne, ob der Überbauende selbst oder unter Einschaltung eines Dritten überbaut habe (Staud/Roth Rz 51). Dem ist zu folgen. Die Auffassung des BGH führt dazu, dass dem Nachbarn wegen ein und derselben Beeinträchtigung zwei verschiedene Schuldner aus zwei unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen haften, ohne dass das dadurch entstehende Problem der Anspruchskonkurrenz gelöst wird.

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