Gesetzestext

 

(1) 1Der Benachteiligte kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot unbeschadet weiterer Ansprüche die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.

(2) 1Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbots ist der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. 2Dies gilt nicht, wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. 3Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Benachteiligte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

(3) Ansprüche aus unerlaubter Handlung bleiben unberührt.

(4) Auf eine Vereinbarung, die von dem Benachteiligungsverbot abweicht, kann sich der Benachteiligende nicht berufen.

(5) 1Ein Anspruch nach den Absätzen 1 und 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden. 2Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn der Benachteiligte ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.

A. Einordnung und Zweck.

 

Rn 1

§ 21 regelt die Rechtsfolgen nicht gerechtfertigter Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr iSd § 19 (VGH München BayVBl 13, 308). Nach europarechtlicher Vorgabe müssen die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (§ 15 Rn 1; RL 2000/43/EG, Art 15; RL 2004/113/EG, Art 14). I bis III sind nicht zu Lasten des Gläubigers abdingbar (IV).

B. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, Abs 1.

 

Rn 2

§ 1004 BGB nachgebildet regelt I verschuldensunabhängige Primäransprüche auf Beseitigung (1) und (vorbeugende) Unterlassung (2). Mögliche weitere Ansprüche werden von I nicht berührt. Der Beseitigungsanspruch gem 1 erfordert einen objektiven Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot, der Unterlassungsanspruch gem 2 eine konkret drohende zukünftige Beeinträchtigung (BTDrs 16/1780, 46), auch Erstbegehungsgefahr genügt (Grüneberg/Grüneberg § 21 Rz 4). Der Beseitigungsanspruch ist auf Naturalrestitution gerichtet. Der Benachteiligte ist also so zu stellen, wie er ohne die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung stünde; ob dies auch einen Kontrahierungszwang begründet, ist umstr (dafür wohl Heese NJW 12, 572, 575 f; Thüsing/v Hoff NJW 07, 21; dagg BKG § 12 Rz 6; Looschelders JZ 12, 105, 111; Armbrüster NJW 07, 1494; iE wohl auch Grüneberg/Grüneberg § 21 Rz 7 mwN; Maier-Reimer NJW 06, 2577, 2582). Auf Vertragsänderung zur Vermeidung der Benachteiligung müssen die Vertragsparteien sich einlassen (§ 15 Rn 2; vgl BAG BB 07, 1624 [BAG 19.12.2006 - 9 AZR 294/06]; Lingemann/Müller BB 07, 2013; Schmidt/Räntsch NZM 07, 15).

C. Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch, Abs 2.

 

Rn 3

II regelt Sekundäransprüche auf Schadensersatz (1, 2) und Entschädigung (3). Der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch entspricht strukturell § 280 I BGB sowie § 15 I AGG (§ 15 Rn 3 ff; krit Looschelders JZ 12, 105, 111). Steht pflichtwidrige Benachteiligung fest, kann Benachteiligender Entlastungsbeweis gem 2 führen, dass er sie nicht zu vertreten hat, § 276 BGB. Zur Haftung für Organe und Erfüllungsgehilfen s § 15 Rn 2. Zu ersetzen ist wie bei § 15 I der entstandene materielle Schaden (vgl BTDrs 16/1780, 38, 46; § 15 Rn 5).

 

Rn 4

Der Entschädigungsanspruch (3) ist verschuldensunabhängig (BAG NZA 16, 888 [BAG 17.12.2015 - 8 AZR 421/14]; 10, 1129 [BAG 18.03.2010 - 8 AZR 1044/08]) und betrifft immaterielle Schäden, § 253 BGB. Die Erheblichkeit der Verletzung hängt von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Verletzers, Verbreitung ggü Dritten, dem Grad des Verschuldens und der Wiederholung bzw Hartnäckigkeit des Handelns ab (Hamm NJW-RR 11, 764; AG Bonn NJW-RR 16, 348). Angemessen ist die Entschädigung, wenn sie dem Benachteiligten Genugtuung verschaffen kann, die Höhe ist gesetzlich nicht beschränkt, zur Konkretisierung kann Rspr zur Verletzung des allg Persönlichkeitsrechts herangezogen werden (BTDrs 16/1780, 46; BGH NJW 96, 985 [BGH 12.12.1995 - VI ZR 223/94]; krit Nicolai Rz 863). Bsp: 2.000 EUR für Rücktritt von Krankenversicherungsvertrag wegen Schwangerschaftskomplikation (Hamm NJW-RR 11, 764 [OLG Hamm 12.01.2011 - I-20 U 102/10]), 900 EUR für Zutrittsverweigerung zu Diskothek wegen Hautfarbe und Geschlecht (Stuttg NJW 12, 1085 [OLG Stuttgart 12.12.2011 - 10 U 106/11] ähnlich AG Hannover 14.8.13, 462 C 10744/12), 2x 850 EUR für Nichtvermietung einer Villa für Hochzeit homosexuellen Paars (LG Köln NJW 16, 510 [LG Köln 13.11.2015 - 10 S 137/14]). Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch können nebeneinander bestehen. Zum Verhältnis von Schadensersatz, Beseitigung der Benachteiligung und Entschädigung s § 15 Rn 7 f. Der Anspruch ist abtretbar (BGH NJW 20, 995 [BGH 11.09.2019 - XII ZB 627/15]).

D. Sonstige Rechtsfolgen, Abs 3.

 

Rn 5

I und II schließen Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht aus (III; iE § 15 Rn 20 ff). Sind einzelne Regelungen diskriminierend, kann deren Beseitigung verlangt werden, Unwirksamkeit nach §§ 134, 138 BGB bleibt unberührt. Das Schuldverhältnis iÜ bleibt nach Maßgabe von § 139 BGB erhalten (BTDrs 16/1780, 47).

E. Geltendmachungsfrist, Abs 5.

 

Rn 6

Die gesetzliche Ausschlussfrist in V von zwei Monaten zur Geltendmachung der Ansprüche ...

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