Rn 2

Die Unmittelbarkeit der Benachteiligung liegt darin, dass die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpft (BAG NZA 16, 681 [BAG 20.01.2016 - 8 AZR 194/14]). Eine mittelbare Benachteiligung (II) beruht demggü auf Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die dem Anschein nach neutral sind, aber zu einer Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes führen (Rn 11 ff).

 

Rn 3

Konkret ist die Benachteiligung bei weniger günstiger Behandlung des Betroffenen im Vergleich zu einer anderen Person in vergleichbarer Situation (BAG NZA 16, 625, 681 [BAG 22.10.2015 - 8 AZR 384/14]), also bei Ablehnung eines Bewerbers wegen eines Merkmals nach § 1. Nachteil liegt bereits in dem Versagen einer Chance. Demggü keine Benachteiligung, wenn Bewerbung dem ArbG im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung noch nicht vorlag (BAG AuA 10, 544). Benachteiligung aufgrund hypothetischer Vergleichsbetrachtung ist die ungünstigere Behandlung, die ein Betroffener ggü einer hypothetischen Vergleichsperson ›erfahren würde‹, also die Ablehnung des Bewerbers wegen eines Merkmals nach § 1, obwohl ein anderer Bewerber mit gleichen Qualifikationen ohne das Merkmal eingestellt worden wäre, auch wenn die Stelle letztlich nicht besetzt wird (BAG NZA 13, 37 [BAG 23.08.2012 - 8 AZR 285/11]). Im ersten Beispielfall handelt es sich gleichzeitig auch um eine aktuelle Benachteiligung (›erfährt‹), in Betracht kommt aber auch eine zeitlich versetzte Ungleichbehandlung (›erfahren hat‹), wenn also in der Vergangenheit im letzten Beispielfall die Stelle mit einem gleich qualifizierten Bewerber ohne das Merkmal nach § 1 schon einmal besetzt worden war. Drohende nur abstrakte Gefahr löst keine Ansprüche aus (BTDrs 16/1780, 32). Unmittelbare Diskriminierung kommt auch in Betracht ohne konkretes Diskriminierungsopfer, zB bei diskriminierenden Äußerungen des ArbG in der Öffentlichkeit (EuGH NZA 08, 929 – Feryn; Bayreuther NZA 08, 988).

 

Rn 4

Behandlung kann auch ein Unterlassen sein (BTDrs 16/1780, 32), zB bei unterlassenem Vertragsabschluss, unterlassener Begünstigung oder dem Versagen einer Chance (BAG NJW 13, 2778 [BAG 21.02.2013 - 8 AZR 180/12]).

 

Rn 5

›Wegen‹ eines in § 1 genannten Grundes erfolgt die Benachteiligung auch, wenn er nur eines von mehreren Motiven innerhalb eines Motivbündels ist (§ 7 Rn 4, § 2 Rn 17; BVerfG NJW 94, 647 f; BAG NZA 19, 1492; 17, 310; BGH NZA 12, 797, dazu Lingemann/Weingarth DB 12, 2325).

 

Rn 6

›Weniger günstige Behandlung‹ ist Zurücksetzung ggü der (ggf hypothetischen, Rn 3) Vergleichsperson. Es gilt ein objektiver Maßstab; auch wer gerne arbeitet wird benachteiligt, wenn er wegen eines Merkmals nach § 1 weniger Urlaub erhält.

 

Rn 7

Vergleichsperson ist nur die Person, die in vergleichbarer (nicht notwendig identischer) Situation günstiger behandelt wird, würde, oder wurde (Rn 3). Benachteiligt können auch Angehörige des Betroffenen sein (EuGH NZA 08, 932 – Coleman). Die Anforderungen an die Vergleichbarkeit richten sich danach, ob eine Auswahlentscheidung (a) oder Einzelfallentscheidung (b) vorliegt:

 

Rn 8

a) Bei einer Auswahlentscheidung, typischerweise Einstellungsentscheidung, sind alle Bewerber im Grundsatz vergleichbar (BAG NZA-RR 17, 342 [BAG 26.01.2017 - 8 AZR 73/16]; NZA 16, 1394 [BAG 19.05.2016 - 8 AZR 470/14]). Nicht entscheidend ist eine ggf beste Qualifikation, andernfalls könnte ein Anspruch nach § 15 II auf Entschädigung nicht entstehen (BAG NZA 10, 383 [BAG 17.12.2009 - 8 AZR 670/08]). Bloße Nichteinbeziehung in die Auswahl ist bereits Ungleichbehandlung (BAG NZA 12, 667 [BAG 16.02.2012 - 8 AZR 697/10]; 10, 1412 [BAG 19.08.2010 - 8 AZR 530/09]). Aber ausnahmsweise Rechtsmissbrauch, wenn Bewerber nicht Stelle, sondern nur Entschädigung anstrebt (EuGH NZA 16, 1014 – Kratzer; zurückhaltend BAG NZA 17, 310; weitergehend BAG NZA 22, 1401 [BAG 31.03.2022 - 8 AZR 238/21]). Das kann der Fall sein, wenn schon die Bewerbung zeigt, dass wesentliche Einstellungsvoraussetzungen fehlen (offengelassen BAG NZA 17, 310; iE BKG § 6 Rz 10a; Diller NZA 09, 1386; Jacobs RdA 09, 193; zum Testing-Verfahren Krieger/Günther NZA 15, 262), bei unrealistischen Gehaltsvorstellungen, unvollständigen oder unordentlichen Bewerbungsunterlagen (LAG BB NZA-RR 06, 513) oder Unterlagen mit abstrusen und für die Bewerbung schädlichen Thesen (LAG BW FA 07, 313), hingegen nicht schon wegen mehrerer AGG-Prozesse, die systematisches und zielgerichtetes Vorgehen nicht erkennen lassen (›AGG-Hopping‹; BAG NZA 17, 310 [BAG 11.08.2016 - 8 AZR 4/15]), wegen der Nutzung von ›Formularschreiben‹ für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs (LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 22, 455 [LAG Schleswig-Holstein 21.06.2022 - 2 Sa 21/22]) oder ungewöhnlich später Nachfrage des Bewerbers (BAG NZA 18, 33 [BAG 29.06.2017 - 8 AZR 402/15]).

 

Rn 9

b) Demggü ist Vergleichbarkeit bei einer Einzelfallentscheidung enger. Sie richtet sich nach dem Zweck der Entscheidung, bei krankheitsbedingter Versetzung also zB danach, ob bei der Vergleichsperson eine...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?