Rn 6

Die internationale Zuständigkeit (iZ) der deutschen Gerichte in Erbsachen unterliegt seit 17.8.15 vorrangig dem auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers abstellenden Art 4 EuErbVO (s IPR-Anh 11 Vor EuErbVO Rn 8 f). Dies gilt auch für die Ausstellung eines deutschen Erbscheins (EuGH C-20/17 Oberle, NJW 18, 2309 m Aufs Kleinschmidt IPRax 20, 308 = ECLI:EU:C:2018:485; Wagner NJW 18, 3284 ff). Die frühere Auffassung, wonach Vorschriften des nationalen Rechts (§§ 105, 343 f FamFG) zur Anwendung kommen, ist überwunden (krit Leitzen ZEV 18, 630 ff).

 

Rn 7

Nach nationalem deutschem Recht sind für die Ausstellung von Erbscheinen u Testamentsvollstreckerzeugnissen die deutschen Gerichte gem § 343 I FamFG unabhängig vom anwendbaren Recht zuständig, wenn der Erblasser seinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland hatte. Um einen exorbitanten Gerichtsstand zu vermeiden, ist neben dem schlichten Aufenthalt des Erblassers im Inland ein weiterer Inlandsbezug (insb Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt der Erben) zu fordern (Schäuble ZErb 09, 206 f; aA Wittowski RNotZ 10, 108 f; vgl auch Zimmermann ZEV 09, 55, 57). Bei Anwendbarkeit ausländischen Rechts ist grds ein territorial unbeschränkter Fremdrechtserbschein zu erteilen (vgl auch BTDrs 16/6803, 222). Für Nachlassverfahren über das Vermögen von Deutschen, die weder Wohnsitz noch Aufenthalt im Inland hatten, ist gem § 343 III FamFG zentral das AG Schöneberg zuständig, das die Sache ›aus wichtigem Grund‹ iSd § 4 FamFG auch an ein anderes Gericht verweisen kann. Schließlich besteht gem § 343 III FamFG eine örtliche u internationale Zuständigkeit am Ort der Belegenheit von Nachlassgegenständen von Erblassern, die im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatten. Hat das Nachlassgericht einen Erbschein nach ausländischem Recht zu erteilen (Fälle der § 343 I, III FamFG), ist gem § 16 I Nr 6 funktionell der Richter zuständig. Gem § 352c I FamFG kann der Antragsteller beantragen, dass der Erbschein nur für den inländischen Nachlass erteilt wird, um insb langwierige Ermittlungen zum ausländischen Recht bei Nachlassspaltung zu vermeiden (BTDrs 16/6803, 349).

 

Rn 8

Ausländischen Erbrechtsbescheinigungen (Einantwortungsurkunden, Rotsiegelbeschlüssen nach österreichischem Recht) u Testamentsvollstreckerzeugnissen kommt nach ihrem Heimatrecht regelmäßig keine ähnl weitgehende Wirkung zu, wie sie das deutsche Recht für inländische Erbscheine u Zeugnisse vorsieht. Weithin unbestritten ist, dass nur Erbscheine u Zeugnisse, die von deutschen Behörden ausgestellt wurden, die materiell-rechtliche Gutglaubenswirkung der §§ 2365 ff BGB entfalten können (Staud/Dörner Rz 914; BRHP/Lorenz Rz 73). IÜ stellt sich jedoch noch die Frage der Anerkennungsfähigkeit iSd § 108 FamFG (MüKo/Dutta vor Art 39 EuErbVO Rz 12) sowie einer möglichen Substitution (MüKo/Dutta vor Art 39 EuErbVO Rz 13). Eine Ausn gilt im deutsch-türkischen Rechtsverkehr gem § 17 deutsch-türkisches Nachlassabk (vgl Art 75 EuErbVO Rn 3), wonach ein Zeugnis eines Vertragsstaats über die Erbfolge in den beweglichen Nachlass auch im anderen Vertragsstaat dem Nachweis der Erbfolge dient. Die Anwendung der EuErbVO auf ausländische Erbnachweise ist dann möglich, wenn man sie als ›Entscheidung‹ ansieht oder ihnen in anderer Weise Wirkungen zubilligt (zu der Streitfrage Dörner DNotZ 18, 661, 664). Dies wird zT ausgeschlossen (Döbereiner NJW 15, 2449, 2451 [BGH 27.11.2014 - I ZR 124/11]). Die Brüssel Ia-VO greift nicht ein (Stuttg ZEV 11, 142). Auch eine Anerkennung nach § 108 FamFG scheitert idR (Bremen NJW-RR 11, 1099; Schäuble ZErb 11, 267). Ist dagegen eine ausländische Entscheidung in Nachlasssachen iSd § 108 FamFG anerkennungsfähig, so können ihre verfahrensrechtlichen Wirkungen auf das Inland erstreckt werden, insb ist der im Ausland eingesetzte Testamentsvollstrecker dann auch im Inland grds als iSd ausländischen Rechts verfügungsbefugt zu betrachten.

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