Rn 2
Unlauterer Wettbewerb iSd Art 6 I, II umfasst nach Erw 21 2 die Regeln zum Schutz von Wettbewerbern, Verbrauchern und Öffentlichkeit (einschl des Wettbewerbs als Institution, s nur Lindacher GRUR Int 08, 453). Der Begriff ist autonom auszulegen (ungenau daher Hamm MMR 14, 175, 176 [OLG Hamm 17.12.2013 - 4 U 100/13], aber iE vertretbar; s jetzt Th Schmidt Kollisionsrechtseinheit und Sachrechtsvielfalt im Binnenmarkt 21, 164 ff). Dabei lassen sich aus gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten (insb aus der RL 2005/29/EU über unlautere Geschäftspraktiken, ABl 05, L 149/22) Anhaltspunkte gewinnen, welche Bereiche auf jeden Fall erfasst werden (s.a. Mankowski GRUR Int 05, 634, 636; Köhler FS Coester-Waltjen 501, 502; ausf Bauermann Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht 15, 81 ff mwN); diese Rechtsakte betreffen jedoch mit ihren Verbraucherschutzregeln nur einen Ausschnitt des iRd Art 6 maßgeblichen Bereichs – und auch diesen nicht vollständig (dazu jetzt umfassend Th Schmidt Kollisionsrechtseinheit und Sachrechtsvielfalt im Binnenmarkt 21, 236 ff; für eine Heranziehung der PVÜ Hellner YbPrIntL 07, 49, 68; zu PVÜ und TRIPS Th Schmidt Kollisionsrechtseinheit und Sachrechtsvielfalt im Binnenmarkt 21, 222 ff). Weiterhin nennt der erste Kommissionsentwurf als Bsp (KOM [03] 427 17): Handlungen, die auf die Nachfrage Einfluss zu nehmen trachten, die das Angebot von Wettbewerbern behindern sollen oder mit denen Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden. Die Anknüpfung nach Art 6 I, II umfasst Ansprüche Privater (einschl anspruchsberechtigter Verbände, s nur Th Schmidt Kollisionsrechtseinheit und Sachrechtsvielfalt im Binnenmarkt 21, 346 ff; zur Abgrenzung zur lex fori BeckOGK/Poelzig/Windorfer/Bauermeister Art 6 Rz 40 ff mwN zum kontroversen Meinungsstand; zu einem zweistufigen Vorgehen beim Rechtsbruchtatbestand München PharmR 23, 647, 652 mwN) wegen unlauteren Wettbewerbsverhaltens; praktisch wichtig sind hier insb Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche (s zu Letzteren insb EuGH NJW 16, 2727 Rz 39 ff), auch Unterlassungsklagen wegen der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen (EuGH NJW 16, 2727 Rz 48; München MMR 19, 532, 533 [OLG München 10.01.2019 - 29 U 1091/18]; Bambg BeckRS 21, 3523; Bauermann Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht 15, 285 ff; zu Bedenken gegen eine lauterkeitsrechtliche Anknüpfung aber Art 4 Rn 19), wobei die Klauseln selbst anhand der ROM I-VO zu überprüfen sein können (EuGH NJW 16, 2727 Rz 49 ff). Auch die Frage der Anspruchsberechtigung unterliegt dem nach Art 6 I, II maßgeblichen Recht (s insb Grüneberg/Thorn Art 6 Rz 11). Nicht in den Anwendungsbereich von Art 6 fallen Ansprüche wegen Verstößen gegen das in mehreren wettbewerbsrechtlich relevanten Richtlinien (insb in der E-Commerce-RL) normierte Herkunftslandprinzip. Die entsprechenden materiellrechtlichen Regelungen sind bereits nicht vom Anwendungsbereich der ROM II-VO erfasst; sofern man Art 3 E-Commerce-RL trotz Art 1 IV der RL kollisionsrechtliche Relevanz beimisst, ergibt sich der Vorrang des Herkunftslandprinzips aus Art 27 (s nur Grüneberg/Thorn Art 6 Rz 3; aA Sack WRP 08, 845, 857; Pfeiffer IPRax 14, 3608). Das dürfte auch gelten, nachdem der EuGH (WRP 11, 1571 [EuGH 20.10.2011 - Rs. C-344/10 P; C-345/10 P] Rz 59 ff) in Bezug auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen Art 3 E-Commerce-RL dahin ausgelegt hat, dass er keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsregel verlangt, aber von den Mitgliedstaaten sicherzustellen ist, dass Anbieter keinen strengeren Anforderungen als denjenigen ihres Herkunftslandes unterworfen werden (aA insb Sack EWS 11, 513, 515 ff; WRP 13, 1407, 1409, 1414; 19, 1095, 1096 ff). Problematisch ist die Qualifikation von Wettbewerbshandlungen, die zugleich Immaterialgüterrechte verletzen; hier sollte in Zweifelsfällen Art 8 als lex specialis angesehen und entsprechend qualifiziert werden (s.a. Handig GRUR Int 08, 24, 26 f; diff Sack WRP 08, 845, 858 ff). An der Schnittstelle zwischen Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht ist auch die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen zu verorten, die tw auch nach der Neuregelung im GeschGehG als lauterkeitsrechtlich qualifiziert wird (zB Sack Internationales Lauterkeitsrecht 19, 67 f, 73 f; MüKoUWG/Drexl Grundlagen Rz 333; Buck jM 20, 59, 62; offengelassen: Ddorf GRUR-RS 19, 33225), tw aber auch als immaterialgüterrechtlich (s.u. Art 8 Rn 2) oder – vorzugswürdig – nach Art 4 (s.o. Art 4 Rn 20). Zur Anknüpfung des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes Art 8 Rn 2. Ansprüche aus Gewinnzusagen werden nicht von Art 6 erfasst, unabhängig davon, ob man sie mit der hM als vertragsrechtlich qualifiziert oder – wie hier – der culpa in contrahendo zuordnet (Art 2 Rn 1).