Rn 1
Die VO gilt für die Ehescheidung u die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (Ehetrennung) in Fällen, die iwS eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen (Art 1 I; dazu Mörsdorf-Schulte RabelsZ 77 [13] 786, 794 ff), dagegen nicht für die Scheidungsfolgen, s dazu Art 17 EGBGB. Der Ehebegriff ist verordnungsautonom (so Mörsdorf-Schulte RabelsZ 77 [13] 786, 800) u nicht nach der lex fori (so Helms FamRZ 11, 1765, 1766; Löhnig NZFam 17, 1085, 1086) zu bestimmen. Erfasst wird auch die gleichgeschlechtliche Ehe (vgl Art 17b IV 1 EGBGB, de la Durantaye IPRax 19, 281, 286; ebenso schon Löhnig NZFam 17, 1085, 1086; Mankowski IPRax 17, 541, 547). Tw überlässt man die Einordnung dem MS selbst (Helms FamRZ 11, 1765, 1766; Grüneberg/Thorn Rz 4). Jedenfalls für das EU-Freizügigkeitsrecht ist klargestellt worden, dass ›Ehe‹ geschlechtsneutral zu verstehen ist (EuGH C-673/16 Coman, FamRZ 18, 1063 m Anm Dutta/Michl, 1148 = ECLI:EU:C:2018:385). Von der Rom III-VO wird auch die polygame Ehe erfasst. Dagegen gilt die VO nicht für die registrierte Lebenspartnerschaft (NK/Gruber Rz 37).
Rn 2
Scheidung umfasst an sich nicht nur das im deutschen Sachrecht (§§ 1564 ff) als einzige Möglichkeit der Auflösung einer gescheiterten Ehe bereitgestellte Rechtsinstitut der gerichtlichen Scheidung. Als Gericht kann auch ein Notariat (zB Lettland) oder eine Personenstandsbehörde (zB Portugal; Gärtner StAZ 12, 357, 358) fungieren (Art 3 Nr 2). Auch Eheauflösungen ausl Rechts, die durch Vertrag, Verstoßung (talaq; dazu Andrae NJW 08, 1730) oder Übergabe des Scheidebriefs (get; vgl BGH FamRZ 08, 1409) erfolgen, fielen nach früherer deutscher hM unter die VO. Der EuGH hat jedoch entschieden, dass ohne konstitutive Entscheidung durch ein Gericht oder eine andere staatliche Behörde, sondern nur durch einseitige Erklärung eines Ehegatten ausgesprochene Ehescheidungen, die von einem geistlichen Gericht eingetragen wurden, nicht in den Anwendungsbereich der VO fallen (EuGH C-372/16 Sahyouni, FamRZ 18, 169 Anm C Mayer m Aufs Antomo NJW 18, 435 ff = ECLI:EU:C:2017:988; Mansel/Thorn/Wagner IPRax 18, 121, 150f). Zur Schließung der entstandenen Lücke erfolgt nach Art 17 II EGBGB auf Privatscheidungen eine analoge Anwendung der ROM III-VO, s Art 17 EGBGB Rn 4.
Rn 3
Die Scheidung kann in einem FamFG-Verfahren ausgesprochen werden (zum talaq vgl Frankf FamRZ 09, 1504, dagegen NK/Gruber Rz 69: durch analoge Anwendung der ROM III zu schließende Regelungslücke). ZT werden die ROM III-Anknüpfungsregeln auf reine Privatscheidungen ohne behördl Mitwirkung als deutsches Kollisionsrecht angewendet (so Winkler v Mohrenfels ZvglRWiss 115 [16] 650f). Eine im Ausland vollzogene Privatscheidung kann im Inland anerkannt werden (Gärtner StAZ 12, 357, 362 f; vgl BGH FamRZ 94, 434), sofern kein Verstoß gg den ordre public vorliegt (Frankf FamRZ 09, 1504; Hamm NJW-RR 10, 1090). Das gilt jedoch nicht bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts (BayObLG FamRZ 03, 381; Gärtner StAZ 12, 357, 359 ff) sowie für inl konsular Privatscheidung (Nürnbg NJW-RR 17, 69). Zu Privatscheidungen aus EU-Staaten s Art 2 Rn 4 ff.
Rn 4
Der Geltungsbereich von Scheidungs- u Trennungsstatut wird von der VO nicht umschrieben. Dazu gehören materielle Scheidungsvoraussetzungen wie Scheidungsgründe (Einverständnis, Zerrüttung, Schuld), aber auch eine vorausgesetzte Klärung bestimmter Scheidungsfolgen (Henrich Int Scheidungsrecht, 17, Rz 101). Die als Voraussetzung einer einverständlichen Scheidung verlangte vertragliche bzw einverständliche Reglung bestimmter Scheidungsfolgen ist häufig als materiell-rechtliche Scheidungsvoraussetzung einzuordnen (vgl Stuttg FamRZ 12, 480; Jayme IPRax 12, 450, 451). Ein Versöhnungsverfahren ist dagegen prozessualer Natur (Hausmann A Rz 342).