Gesetzestext
Ein Grundstück kann zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt (Grunddienstbarkeit).
A. Normzweck.
Rn 1
Dienstbarkeiten ermöglichen den vorteilhaften Gebrauch einer Immobilie durch die Nutzung eines anderen Grundstücks bzw die Nutzungsbeschränkung für ein anderes Grundstück mit dinglichem Schutz. Die aus dem Grundeigentum des dienenden Grundstücks resultierenden Befugnisse werden beschränkt. Grunddienstbarkeit, §§ 1018 ff, und beschränkte persönliche Dienstbarkeit, §§ 1090 ff, unterscheiden sich in der Bindung an den Berechtigten. Die Grunddienstbarkeit berechtigt subjektiv-dinglich nicht eine individuelle Person, sondern ein Rechtssubjekt in seiner Stellung als Grundstückseigentümer. Bei der beschränkt-persönlichen Dienstbarkeit verdichtet sich der personale Bezug zur Unübertragbarkeit und Unvererblichkeit, § 1090 II iVm § 1061, § 1092 (BGH NJW 65, 393 [BGH 02.12.1964 - V ZR 173/62]; Schmenger BWNotZ 07, 73). Die Formulierung ›für uns und unsere Rechtsnachfolger im Besitz‹ soll eine Grunddienstbarkeit begründen (Karlsr NJW-RR 22, 387 [BGH 24.11.2021 - VIII ZR 258/19]). Eine öffentlich-rechtliche Baulast begründet dagegen grds keine private Berechtigung, doch kann die Baulast im Rahmen eines Rechtsmissbrauchseinwands berücksichtigt werden (Hamm RNotZ 17, 665; s.a. Soergel/Münch vor § 1018 Rz 26). Aus dem durch die Grunddienstbarkeit geschaffenen gesetzlichen Schuldverhältnis kann sich als Nebenpflicht die Verpflichtung ergeben, eine Baulasterklärung abzugeben (BGHZ 106, 348, 350). Voraussetzung hierfür ist aufgrund einer beiderseitigen Interessenabwägung ein Vorrang des Grunddienstbarkeitsberechtigten. Dabei ist darauf abzustellen, ob die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, das Grundstück des Berechtigten baulich zu nutzen, ob die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstücks ist, ob eine Befreiung von dem Baulastzwang in Betracht kommt, ob bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit Anlass bestand, bereits die Übernahme einer Baulast zu erwägen und schließlich, ob Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen (BGH NJW 92, 2885 f [BGH 03.07.1992 - V ZR 218/91]; 22, 1447 Rz 5). Dies gilt auch bei einer Nutzungsänderung für eine nach Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit entsprechende Baulast (BGH NJW 22, 1447 [BGH 22.10.2021 - V ZR 92/20] Rz 6 ff, mAnm Karczewski).
B. Dingliches Recht.
Rn 2
Die Dienstbarkeit ist ggü dem Verpflichtungsgeschäft abstrakt. Zugrunde liegen können Kauf, Schenkung oder Verpflichtungen sui generis. Die Kennzeichnung der Dinglichkeit als unmittelbare Unterwerfung einer Sache unter die Herrschaft einer Person, weist die Richtung (RGZ 53, 98, 100), transportiert aber noch keinen Hinweis auf die Absolutheit (Soergel/Münch vor § 1018 Rz 3, spricht von der Abwehr- und der Gewehrfunktion). Die dingliche Rechtslage ist nicht nach den schuldrechtlichen Verpflichtungen zu bestimmen, denn ein dingliches Recht kann grds keinen von der Grundbucheintragung und der Eintragungsbewilligung abweichenden Inhalt haben (BGH NJW-RR 91, 457 [BGH 12.10.1990 - V ZR 149/89]; München BeckRS 17, 119228).
Rn 3
In der Rspr des BGH ist das Institut der Sicherungsdienstbarkeit entwickelt worden, mit der langjährige Bezugspflichten (Bier, Mineralöl) gesichert werden sollen. Causa ist nicht der Bezugsvertrag, sondern die Sicherungsvereinbarung (BGHZ 74, 293; NJW 79, 2149; 81, 343; 83, 115; 88, 2362). Besteht keine Sicherungsabrede, zB weil eine Bezugsverpflichtung erst begründet werden soll, ist von isolierten Dienstbarkeiten die Rede (BGH WM 92, 951 [BGH 22.01.1992 - VIII ZR 374/89]; NJW 88, 2362 [BGH 08.04.1988 - V ZR 120/87]; NJW-RR 89, 519). Eine solche Dienstbarkeit ist auch dann zulässig, wenn mit ihr auf den Eigentümer des belasteten Grundstücks Druck zum Abschluss eines bestimmten Vertrags ausgeübt wird (BGH NJW 13, 1963 [BGH 21.12.2012 - V ZR 221/11]). Mängel der Bezugsvereinbarung wirken sich nicht (im Gegensatz zu früherer Rspr) auf das dingliche Recht aus. Sie können über die Sicherungsabrede oder nach den §§ 812 ff geltend gemacht werden (s.a. Rn 23 ff). Der Bestellungsanspruch ist abtretbar (BGH NJW 10, 1074 [BGH 30.10.2009 - V ZR 42/09]).
Rn 4
Bei jeder Dienstbarkeit besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den jeweiligen Parteien des dinglichen Rechts (BGH NJW 85, 2944 [BGH 28.06.1985 - V ZR 111/84]; DNotZ 89, 565 [BGH 03.02.1989 - V ZR 224/87]; ausf Amann DNotZ 89, 531). Es umfasst die Rücksichtnahme-und Schutzpflichten der §§ 1020–1023 sowie etwaige besonders vereinbarte entspr Nebenpflichten.
C. Belastungsgegenstand.
Rn 5
Belastbar und damit dienende Gegenstände sind Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und die Wohnungseigentumsberechtigung....