Gesetzestext
(1) Eine Sache kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen (Nießbrauch).
(2) Der Nießbrauch kann durch den Ausschluss einzelner Nutzungen beschränkt werden.
A. Rechtstyp.
Rn 1
Der Nießbrauch ist ein Nutzungsrecht. Systematisch stellt er eine Dienstbarkeit dar, daneben bestehen die Grunddienstbarkeit, §§ 1018–1029, sowie die beschränkte persönliche Dienstbarkeit, §§ 1090–1093. Er unterscheidet sich von den anderen durch die umfassende, auf Ziehung der gesamten Nutzungen gerichtete Befugnis. Er ist das einzige dingliche Recht, das an allen Gegenständen (Immobilien, Mobilien, Rechten) bestellt werden kann, sofern sie nutzbar sind und übertragen werden können. In den §§ 1030–1067 ist der Nießbrauch an Sachen geregelt. Oft dient er zur Gestaltung einer vorweggenommenen Erbfolge (dazu Lederle/Wanner DStR 15, 2270; Stalleiken/Hennig FR 15, 389). Zu unterscheiden ist der Nießbrauch als dingliches Recht von dem schuldrechtlichen Grundgeschäft, zB einem Rechtskauf oder einer Schenkung, das neben der Verpflichtung zur Bestellung des Nießbrauchs auch Zahlungspflichten begründen kann, so wie das mit der Nießbrauchsbestellung entstehende gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher (BGH NJW 22, 2394 Rz 9, 11 mAnm Becker).
B. Belastungsgegenstand.
Rn 2
Belastbar sind Sachen, also bewegliche Sachen (auch Tiere, § 90a), Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, Miteigentumsanteile, Wohnungseigentumsberechtigungen (BGH NJW 02, 1647, 14, 2640 [BGH 07.03.2002 - V ZB 24/01]), Schiffe (dazu: Dobberahn MittRhNotK 98, 145) und nicht eingetragene Luftfahrzeuge (§ 9 LuftfzRG).
Rn 3
Reale Teile sind isoliert belastbar, soweit sie nicht wesentliche Bestandteile darstellen. Praktische Bedeutung besitzt dies bei realen Grundstücksteilen (Zweibr DNotZ 82, 444 [OLG Zweibrücken 05.01.1982 - 3 W 89/81]; LG Tübingen BWNotZ 81, 140), eintragbar unter der Voraussetzung des § 7 II GBO. Häufig ist in solchen Fällen die Belastung des ganzen Grundstücks mit einer vereinbarten Ausübungsbeschränkung, vgl § 1018 Rn 5.
Rn 4
Reale Teile, die wesentliche Bestandteile sind, können wegen § 93 nicht isoliert belastet werden, zB Gebäude (aA München FGPrax 21, 10 [OLG München 30.07.2020 - 34 Wx 93/20], wenn das vom Nießbrauch erfasste Gebäude vollständig auf dem belasteten Grundstücksteil errichtet ist), Gebäudeteile (BGH NJW 06, 1881) oder einzelne Wohnungen (Köln RNotZ 16, 668).
Rn 5
Von der Belastung eines ideellen Anteils (Rn 2) zu unterscheiden ist der sog Quotennießbrauch. Er belastet die ganze Sache, doch steht dem Nießbraucher nur ein bestimmter Bruchteil der Nutzungen zu (BGH NJW-RR 03, 1290 [BGH 06.06.2003 - V ZR 392/02]). Zwischen dem Nießbraucher und dem Eigentümer existiert dann in Bezug auf die Nutzungsbefugnis eine Gemeinschaft entspr §§ 741 ff.
Rn 6
Sollen mehrere Grundstücke belastet werden, so ist ein Gesamtrecht nicht möglich. Es sind jeweils Einzelrechte zu bestellen (LG Düsseldorf MittRhNotK 73, 658; LG Verden NdsRpfl 65, 252; ausf Böttcher MittBay-Not 93, 129).
C. Berechtigter.
I. Fremdberechtigung.
Rn 7
Berechtigt muss eine bestimmte natürliche oder juristische Person, eine rechtsfähige Personengesellschaft (BGHZ 50, 307) oder die sog Außen-GbR sein (Lautner MittBayNot 01, 425). Eine subjektiv-dingliche Bestellung zugunsten des Eigentümers eines Grundstücks ist ausgeschlossen.
Rn 8
Mehrere Berechtigte können eine Gesamthandsgemeinschaft (GbR-Innengesellschaft; Gütergemeinschaft), eine Bruchteilsgemeinschaft oder eine Gesamtgläubigerschaft nach § 428 bilden (BGH NJW 81, 176 [BGH 09.07.1980 - V ZB 5/80]; Frankf NJW-RR 12, 785; zw: Kessler DNotZ 10, 123 [OLG München 25.06.2009 - 34 Wx 41/09]). Ist für mehrere Personen als Gesamtberechtigte nach § 428 ein Nießbrauch an einem Grundstück bestellt, kann nicht die Aufhebung der Gesamtberechtigung entspr § 749 I verlangt werden (BGH DNotZ 21, 275 [BGH 06.03.2020 - V ZR 329/18]). Eine Mitberechtigung nach § 432 ist wegen Unteilbarkeit ausgeschlossen (München Rpfleger 09, 616 [OLG München 25.06.2009 - 34 Wx 040/09]; aA Amann DNotZ 08, 324, 344 [OLG München 29.05.2007 - 32 Wx 077/07]).
II. Eigentümerrecht.
Rn 9
Bei Immobilien ergibt sich die zulässige derivative Eigentümerberechtigung aus § 889. Die originäre Bestellung ist möglich (Köln NJW-RR 99, 239 [OLG Köln 16.12.1997 - 3 U 111/97]). Umstr ist, ob ein besonderes, schutzwürdiges Interesse nachgewiesen werden muss (Saarbr Rpfleger 92, 16 [OLG Saarbrücken 09.07.1991 - 5 W 202/90]; LG Frankf Rpfleger 92, 150; LG Verden NdsRpfl 70, 208) oder nicht (BGH NotBZ 11, 388 [BGH 14.07.2011 - V ZB 271/10]; BGH BeckRS 11, 22753; Köln aaO; MüKo/Pohlmann § 1030 Rz 84; Staud/Heinze Rz 35). Letzterem ist zuzustimmen. Überzeugend sind die Schwierigkeit der Prüfung im Eintragungsverfahren (Soegel/Stürner Rz 3) und die letztlich ohnehin anerkannte Subjektivität der Eigentümerentscheidung.
Rn 10
Bei Mobilien ist der derivative Erwerb in § 1063 gesondert geregelt (s Erl § 1063). Die originäre Belastung ist so lange funktionslos, wie der Eigentümer nicht über d...