Gesetzestext
(1) Hat der Nießbraucher ein Grundstück über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet oder verpachtet, so finden nach der Beendigung des Nießbrauchs die für den Fall der Veräußerung von vermietetem Wohnraum geltenden Vorschriften der §§ 566, 566a, 566b Abs. 1 und der §§ 566c bis 566e, 567b entsprechende Anwendung.
(2) 1Der Eigentümer ist berechtigt, das Miet-oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen. 2Verzichtet der Nießbraucher auf den Nießbrauch, so ist die Kündigung erst von der Zeit an zulässig, zu welcher der Nießbrauch ohne den Verzicht erlöschen würde.
(3) 1Der Mieter oder der Pächter ist berechtigt, den Eigentümer unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung darüber aufzufordern, ob er von dem Kündigungsrecht Gebrauch mache. 2Die Kündigung kann nur bis zum Ablauf der Frist erfolgen.
A. Grundsatz.
Rn 1
Die Norm schützt den Mieter bzw Pächter eines Grundstücks, der den Miet-oder Pachtvertrag mit dem Nießbraucher abgeschlossen hat, davor, nach Beendigung des Nießbrauchs das Objekt an den Eigentümer herausgeben zu müssen. Der Schutz erfolgt durch eine entspr Anwendung der §§ 566 ff.
Rn 2
Der Mieter/Pächter einer beweglichen Sache ist nicht geschützt. Der von ihm mit dem Nießbraucher geschlossene Vertrag gewährt nach Wegfall des Nießbrauchs kein Besitzrecht iSv § 986 ggü dem Eigentümer.
Rn 3
Auf die Ausübungsüberlassung, § 1059 S 2, ist die Norm nicht, auch nicht entspr, anwendbar (BGH NJW 90, 443 [BGH 20.10.1989 - V ZR 341/87]). Mit dem Ende des Stammrechts erlischt auch die Ausübungsbefugnis (BGH aaO; krit mit beachtenswerten Argumenten Wacke FS Gernhuber, 489).
B. Vertragseintritt (Abs 1).
Rn 4
Voraussetzungen für die entspr Anwendung der §§ 566 ff ist zunächst die Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks oder Grundstücksteils, auch: Wohnungseigentumsberechtigung, durch den Nießbraucher. Bei Vermietung/Verpachtung durch den Eigentümer vor dem Nießbrauchsbeginn ist der Nießbraucher gem § 567b gebunden. Der Eigentümer ist es ohnehin.
Rn 5
Die Vermietung/Verpachtung muss sich außerdem über die Dauer des Nießbrauchs hinaus erstrecken.
Rn 6
Der Nießbrauch muss zudem erloschen sein, zB durch Tod, § 1061, durch Eintritt eines Endtermins oder einer auflösenden Bedingung, durch Aufhebung, § 875, oder durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung, §§ 52, 91 ZVG.
Rn 7
Im Zeitpunkt der Nießbrauchsbeendigung muss ferner das Objekt dem Mieter/Pächter überlassen sein (BGH NJW 90, 443 [BGH 20.10.1989 - V ZR 341/87]). Der Begriff der Überlassung ist der des § 566 I (vgl Erl § 566).
Rn 8
Als Rechtsfolgen regelt das Gesetz den Eintritt des Eigentümers in die vertraglichen Rechte und Pflichten. Die Wirksamkeit des Vertrages bleibt unberührt (BGH aaO). Der Eigentümer erlangt die Miet-(Pacht-)Zinsforderungen ab Eintritt kraft eigenen Rechts, nicht als Rechtsnachfolger des Nießbrauchers (BGH NJW 70, 752 [BGH 29.01.1970 - VII ZR 34/68]). Mietzinszessionen verlieren ihre Wirksamkeit nach Maßgabe des § 566b. Es gelten iÜ die §§ 566a–567b (vgl Erl dort).
C. Das Kündigungsrecht (Abs 2 u 3).
I. Grundsatz.
Rn 9
Die Norm enthält ein Sonderkündigungsrecht des Eigentümers. Auf den Mieter/Pächter ist es nicht anwendbar, denn für ihn gelten die allg Regeln.
II. Eigentümerkündigung.
Rn 10
Der Eigentümer kann außerordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen, § 573d. Von Bedeutung ist das insb, wenn das Vertragsverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen wurde oder die ordentliche Kündigung erschwert oder ausgeschlossen ist (BGH NZM 12, 558 Rz 12). Das Kündigungsrecht muss nicht zum ersten möglichen Termin ausgeübt werden. Es besteht während der gesamten Mietzeit. Es gilt nicht für einen Erwerb nach Erlöschen des Nießbrauchs (BGH NJW-RR 10, 815 [BGH 27.11.2009 - LwZR 12/08]). Es besteht nicht, wenn der Eigentümer unabhängig von § 1056 I persönlich an den Mietvertrag gebunden ist, etwa weil er ihn vor der Bewilligung des Nießbrauchs noch als Eigentümer selbst abgeschlossen hatte, wenn er dem Mietvertrag beigetreten oder wenn er Alleinerbe des Vermieters geworden ist (BGH NZM 12, 558 [BGH 12.10.2011 - VIII ZR 50/11] Rz 13; zum Nacherben BGH NJW 15, 2650 [BGH 01.07.2015 - VIII ZR 278/13]).
Rn 11
Die besonderen Kündigungsschutzvorschriften gelten auch hier (LG Münster WuM 96, 37).
Rn 12
Eine Besonderheit gilt gem II 2, wenn der Nießbrauch durch Verzicht des Berechtigten eintritt, § 875. Die Kündigung ist hier erst vom Zeitpunkt an zulässig, zu welchem das Recht ohne den Verzicht erlöschen würde.
Rn 13
Um dem Mieter/Pächter Gewissheit über die Absichten des Eigentümers zu verschaffen, kann er diesen unter Setzung einer angemessenen Frist zur Erklärung auffordern, Abs 3. Ist dies geschehen, so besteht das Kündigungsrecht aus Abs 2 nur noch innerhalb der gesetzten Frist.
Rn 14
Ein Kündigungsrecht des Eigentümers besteht nicht, wenn er den Vertrag selbst abgeschlossen hat, dem Vertrag beigetreten ist oder die Verbindlichkeiten aus dem Vertrag übernommen hat (BGH NJW 90, 443 [BGH 20.10.1989 - V ZR 341/87]). Umstr ist das Kündigungsrecht, wenn der Eigentümer Erbe des Nießbrauchers ist. Der BGH lehnt es ab (BGH ...