Gesetzestext
(1) Mit der Leistung des Schuldners an den Nießbraucher erwirbt der Gläubiger den geleisteten Gegenstand und der Nießbraucher den Nießbrauch an dem Gegenstand.
(2) Werden verbrauchbare Sachen geleistet, so erwirbt der Nießbraucher das Eigentum; die Vorschrift des § 1067 findet entsprechende Anwendung.
A. Anwendungsbereich.
Rn 1
Die Norm ist eine Weiterführung von § 1074, gilt also ebenfalls nur für unverzinsliche Forderungen.
B. Leistung des Schuldners.
I. Leistung an Nießbraucher.
Rn 2
Gemeint ist die Vornahme der erforderlichen Leistungshandlungen ggü dem Nießbraucher (§ 1074 Rn 2). Da der Leistungserfolg beim Gläubiger eintritt (s.u. Rn 4), wird der Vorgang zutr als rechtsgeschäftlicher Erwerb verstanden, bei dem der Nießbraucher als gesetzlicher Vertreter des Gläubigers handelt (MüKo/Pohlmann § 1075 Rz 2, 3). Eine vergleichbare Situation betrifft § 848 II ZPO.
Rn 3
Bewegliche Sachen werden übereignet, indem der Nießbraucher sich namens des Gläubigers mit dem Schuldner einigt und die Sache als Besitzmittler, § 868, entgegennimmt. Bei Immobilien beinhaltet die Auflassung, dass sich der Nießbraucher als Vertreter des Gläubigers und der Schuldner über den Eigentumsübergang an den Gläubiger einig sind. Der Eintragungsantrag ist Einziehungshandlung, kann also vom Nießbraucher gestellt werden.
Rn 4
Rechtsfolgen sind der Erwerb des Rechts oder der Sache durch den Gläubiger sowie das gesetzliche Entstehen eines Nießbrauchs am Leistungsgegenstand, Abs 1. Bei einer Immobilie kann der entstandene Grundstücksnießbrauch (BGH RdL 53, 138) im Berichtigungsweg eingetragen werden, was zweckmäßig zugleich mit der Eigentumsumschreibung beantragt wird. Unrichtigkeitsnachweis iSv § 22 GBO ist die § 29 GBO genügende Nießbrauchsbestellung. Ist ein formgerechter Nachweis nicht möglich, muss der Gläubiger (= Eigentümer) bewilligen. Der Nießbrauch enthält den Rang, den der Nießbrauch am Anspruch hatte (MüKo/Pohlmann § 1075 Rz 5). Wegen der Gleichheit der Interessenlagen können Judikatur u Lit zu § 848 II ZPO Anwendung finden (vgl Böttcher Rpfleger 88, 252).
II. Leistung an Gläubiger.
Rn 5
Wegen der Schutzwirkung des § 1074 erlöschen die nießbrauchsbelastete Forderung und damit der Nießbrauch an ihr grds nicht. Etwas anderes gilt, wenn der Nießbraucher zustimmt oder die Leistung nach §§ 1070, 407 wirksam ist (MüKo/Pohlmann § 1075 Rz 6). Dann entsteht für den Nießbraucher der Nießbrauch am geleisteten Gegenstand.
III. Besonderheit bei verbrauchbaren Sachen (Abs 2).
Rn 6
Ist die Forderung auf Leistung verbrauchbarer Sachen, § 92, gerichtet, so erwirbt bei Leistung an ihn der Nießbraucher das Eigentum. Ihn trifft dann die Wertersatzpflicht des § 1067. Bei Leistung an den Gläubiger wird der Nießbraucher nur dann Eigentümer, wenn sie ihm ggü wirksam ist (wie oben Rn 5).