Gesetzestext
1Ein minderjähriges Kind teilt den Wohnsitz der Eltern; es teilt nicht den Wohnsitz eines Elternteils, dem das Recht fehlt, für die Person des Kindes zu sorgen. 2Steht keinem Elternteil das Recht zu, für die Person des Kindes zu sorgen, so teilt das Kind den Wohnsitz desjenigen, dem dieses Recht zusteht. 3Das Kind behält den Wohnsitz, bis es ihn rechtsgültig aufhebt.
A. Normzweck.
Rn 1
Kinder können, wie es sich aus § 8 ergibt, nicht selbstständig einen Wohnsitz begründen oder aufheben. Deshalb weist § 11 ihnen einen gesetzlichen Wohnsitz zu. Dieser ist an die personensorgeberechtigten Eltern gebunden. Allerdings ist § 11 nicht zwingend. Anstelle des gesetzlichen Wohnsitzes kann nach den Regeln der §§ 7, 8 auch ein gewillkürter Wohnsitz begründet werden. Möglich ist ferner die Begründung eines zusätzlichen Wohnsitzes (§ 7 II). Bedeutung hat die Regelung insb für die Bestimmung des zuständigen Familiengerichts, aber auch für die Schulpflicht (BGH XII ZB 41/07 u 42/07).
B. Gesetzlicher Wohnsitz des Kindes (S 1).
I. Grundsatz.
Rn 2
Das G bestimmt, dass minderjährige Kinder grds den Wohnsitz ihrer Eltern teilen. Dabei wird für die Eltern allerdings das Vorhandensein eines Personensorgerechts vorausgesetzt. Liegt dies nicht oder nur zT vor, so bedarf es einer Bildung der konkreten Fallgruppen (s.u. Rn 3).
II. Fallgruppen.
Rn 3
IRd Wohnsitzbestimmung für das Kind ist zunächst zu trennen, ob die personensorgeberechtigten Eltern zusammen leben oder ob sie getrennt leben. Im letzteren Fall ist danach zu trennen, ob die Personensorge beiden Elternteilen oder nur einem Elternteil zusteht. Von allen genannten Fallgruppen abzutrennen ist der besondere Fall, dass keinem Elternteil das Personensorgerecht zusteht.
1. Zusammenleben der Eltern.
Rn 4
Im Falle zusammenlebender Eltern teilen die Kinder kraft Gesetzes den Wohnsitz der Eltern, sofern beiden Eltern oder mindestens einem Elternteil die Personensorge zusteht. Soweit die Eltern mehr als einen Wohnsitz begründet haben, gilt dieser mehrfache Wohnsitz auch für die Kinder.
2. Getrennt lebende Eltern mit gemeinsamer Personensorge.
Rn 5
Im Falle getrennt lebender Eltern ist nach der gesetzlichen Regelung entscheidend, wem das Personensorgerecht zusteht. Bei gemeinsamer Personensorge beider Elternteile haben die Kinder kraft Gesetzes einen Doppelwohnsitz (BGHZ 48, 228; SächsOVG NJW 06, 1306). Selbst wenn ein Kind erst nach der Trennung der Eltern geboren wird, besteht von der Geburt an ein von beiden getrennten Elternteilen abgeleiteter Doppelwohnsitz; MüKoBGB/Schmitt § 11 Rz 7.
3. Personensorge für einen Elternteil.
Rn 6
Im Falle getrennt lebender Eltern, bei denen das Personensorgerecht nur einem Elternteil zusteht, ist dem Kind kraft Gesetzes als Wohnsitz der Wohnsitz dieses sorgeberechtigten Elternteils zugewiesen. Ohne Bedeutung ist es, aus welchen Gründen es zur Verteilung des Personensorgerechts gekommen ist. Im Einzelfall kann der sorgeberechtigte Elternteil den Wohnsitz des Kindes aufgeben, so dass das Kind seinen Wohnsitz nach den Regeln der §§ 7, 8 bei dem anderen Elternteil begründen kann (Ddorf FamRZ 78, 621).
C. Wohnsitz eines Kindes ohne Sorgerecht der Eltern (S 2).
Rn 7
Den Eltern kann gem § 1666 die Personensorge entzogen sein, so dass ein Vormund oder Pfleger zu bestellen ist. In diesem Falle teilt das Kind den Wohnsitz des jeweiligen Personensorgeberechtigten. Dies gilt auch dann, wenn das Kind faktisch bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt. Gleichzustellen ist der Fall, dass die Eltern nicht bekannt sind. In diesem Fall wird gem §§ 1773 II, 1774 vAw ein Vormund bestimmt. Nach dessen Wohnsitz bestimmt sich auch der Wohnsitz des Kindes.
D. Aufgabe des Wohnsitzes (S 3).
Rn 8
Den gesetzlich bestimmten Wohnsitz eines minderjährigen Kindes behält dieses, bis es ihn nach den §§ 7, 8 wirksam aufgibt. Dies gilt insb dann, wenn das Kind volljährig wird. Wohnt ein Volljähriger weiterhin bei seinen Eltern, so wird der gesetzliche Wohnsitz des § 11 zum gewillkürten Wohnsitz des § 7 ohne tatsächliche Wohnsitzveränderung. Bis zur Volljährigkeit entscheidet über die Aufgabe des Wohnsitzes der Wille des gesetzlichen Vertreters (§ 8). Sind also beide Eltern vertretungsberechtigt, so können sie den Wohnsitz des Kindes nur gemeinsam aufheben. Gibt ein Elternteil seinen Wohnsitz auf, so geschieht dies auch mit Wirkung für die Kinder. Soweit beide Eltern ihren Wohnsitz ersatzlos aufgeben, werden auch Kinder wohnsitzlos. Dies gilt nicht, wenn beide Elternteile das Personensorgerecht verlieren. In diesem Falle bleibt der letzte vorhandene Wohnsitz so lange bestehen, bis ein Vormund oder Pfleger den Wohnsitz nach den Regeln der §§ 7, 8 verändert. Ein automatischer Verlust des Wohnsitzes tritt auch nicht beim Tode eines oder beider Elternteile ein. Auch hier gilt 3.
E. Gewöhnlicher Aufenthalt.
Rn 9
Im europäischen Kollisionsrecht tritt der gewöhnliche Aufenthalt vielfach an die Stelle des Wohnsitzes; vgl dazu Gruber IPRax 19, 217.