Rn 36
In jedem Falle setzt der Eingriff in das APR eine geschützte Sphäre voraus (zu dem abgestuften Schutzkonzept vgl Ricker NJW 90, 2097 [BFH 13.03.1990 - IX R 104/85]; Diederichsen Jura 08, 1). Bei natürlichen Personen ist es weithin anerkannt, zwischen drei verschiedenen Sphären zu trennen. Die Individualsphäre (Sozialsphäre) bezeichnet alle Kontakte einer Person zu ihrer Umwelt und ihre Einbettung in die Gesellschaft. Zur Sozialsphäre gehören auch wissenschaftliche Publikationen (BGH 9.3.21 – VI ZR 73/20 = NJW 21, 1756). Bei Plagiaten gibt es daher für solche Arbeiten kein Recht auf Vergessen. Geschützt wird insg das Selbstbestimmungsrecht der Person in allen Beziehungen zu dieser Umwelt. Die Privatsphäre (Geheimsphäre) bezeichnet einen persönlichen Rückzugsbereich, zu dem nur einzelne ganz bestimmte andere Personen Zutritt haben. Typisch für die Privatsphäre ist der eigene häusliche Bereich, aber auch jede andere bewusst gewählte örtliche Abgeschiedenheit. Geschützt wird hier die Privatsphäre gegen jeden unbefugten Eingriff. Die Intimsphäre als der engste Kreis umfasst die Person als solche in ihrer Gedanken- und Gefühlswelt sowie allen höchstpersönlichen Aspekten, insb der Sexualität. Diese Sphäre genießt absoluten Persönlichkeitsschutz (BGH NJW 99, 2893 [BGH 29.06.1999 - VI ZR 264/98], NJW 88, 1984 [BGH 24.11.1987 - VI ZR 42/87]), anders aber bei einer Sexualstraftat (BVerfG NJW 09, 3357 [BVerfG 10.06.2009 - 1 BvR 1107/09]). Zur geschützten Sphäre bei Kindern s.u. Rn 56. Die Intimsphäre umfasst auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem ein Einblick in das eigene Geschlechtsleben gewährt wird (BVerfG FamRZ 15, 729).
Rn 36a
Zum Bereich der Verdachtsberichterstattung: Zulässig ist eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, soweit sie eine Wahrnehmung berechtigter Interessen darstellt (BGH JZ 15, 417; BGH NJW 20, 45; BGH NJW 23, 3233 [BGH 20.06.2023 - VI ZR 262/21]; Claßen NJW 23, 3392). Mit Ausräumung des Verdachts entsteht für den Betroffenen je nach Fall ein Anspruch auf Widerruf, auf Richtigstellung oder nur auf ein Abrücken von der Äußerung (BGH JZ 15, 417 [BGH 18.11.2014 - VI ZR 76/14]). Ist der Verdacht durch eine rechtskräftige Verurteilung bestätigt, so sind nunmehr im Verfahren die Grundsätze über wahre Tatsachenbehauptungen heranzuziehen (BGH NJW 20, 45 [BGH 18.06.2019 - VI ZR 80/18]). Unzulässig ist die Veröffentlichung eines intimen Fotos im Internet (Hamm NJW-RR 17, 1124 [OLG Hamm 20.02.2017 - 3 U 138/15]; ebenso die Berichterstattung darüber, BGH NJW 20, 53 [BGH 30.04.2019 - VI ZR 360/18]).