Prütting/Wegen/Weinreich, BGB - Kommentar, BGB § 133 BGB ... / V. Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte.

Rn 42

§ 157 verlangt, Verträge so auszulegen, wie dies Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Über den Wortlaut hinaus gilt dieses Gebot für alle Willenserklärungen (BGHZ 47, 78). Mit der Orientierung an Treu und Glauben wird eine objektiv-normative Auslegung ermöglicht, die auf das schutzwürdige Vertrauen des Erklärungsempfängers, die berechtigten Belange der Parteien und die Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs abstellt (Staud/Singer § 133 Rz 64).

Rn 43

Mit der Verkehrssitte wird kein normatives Kriterium, sondern eine bei den beteiligten Verkehrskreisen herrschende tatsächliche Übung bezeichnet (BGH NJW 66, 503 [BGH 01.12.1965 - VIII ZR 271/63]; AnwK/Looschelders Rz 59). Diese Übung muss in dem Verkehrskreis Zustimmung gefunden und über längere Dauer bestanden haben (BGH NJW 90, 1724 [BGH 30.03.1990 - V ZR 113/89]). Eine regelmäßig, aber nicht allg befolgte Verkehrsauffassung genügt nicht (RGZ 75, 341). AGB einer Internetauktionsplattform (BGH NJW 11, 2643 [BGH 08.06.2011 - VIII ZR 305/10], eBay; 14, 1292) oder -handelsplattform, soweit beide Vertragsparteien deren Geltung bei Vertragsschluss zugestimmt haben, können als Verkehrssitte iSv § 157 bei der Auslegung berücksichtigt werden (BGHZ 217, 33; BGH ZIP 20, 1465). Rückt ein Teilnehmer der Internetauktion erkennbar in bestimmter Weise von den AGB ab, ist auf die Individualvereinbarung abzustellen (BGH NJW 17, 1660 [BGH 15.02.2017 - VIII ZR 59/16]). Im Handelsverkehr sind die Handelsbräuche, § 346 HGB, als Verkehrssitte zu beachten. Ein abw übereinstimmendes Verständnis der Parteien geht einer Verkehrssitte vor (BGHZ 23, 136). Wird ein Begriff von den beteiligten Verkehrskreisen in einer bestimmten Bedeutung verwendet, verstößt es idR gegen §§ 133, 157, ihn in einem anderen Sinn zu deuten (BGH NJW 01, 1345 [BGH 12.12.2000 - XI ZR 72/00]).

Rn 44

Zwischen Angehörigen derselben Verkehrskreise gilt die Erklärung in ihrer verkehrsüblichen Bedeutung, sofern der Empfänger die Verkehrssitte kannte oder hätte erkennen müssen (RGZ 114, 12, keine Kenntnis). Gehören die Beteiligten verschiedenen Verkehrskreisen an, ist die Erklärung im Sinn der im Kreis des Empfängers geübten Verkehrssitte zu verstehen (Neuner AT § 35 Rz 15; s.a. RGZ 135, 345). Bei einem örtlich beschränkten Geltungsbereich richtet sich die Bedeutung nach dem Ort, an dem die Erklärung abzugeben war (BGHZ 6, 134).

Rn 45

Die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter ist jedenfalls nicht derart Verkehrssitte geworden, dass eine ausdrückliche Vereinbarung entbehrlich wäre (BGH NJW 04, 2962 [BGH 14.07.2004 - XII ZR 68/02]).