Rn 67
Abtretung: Eine Zession oder Prozessführungsermächtigung ist sittenwidrig, wenn eine unvermögende Partei zur gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen vorgeschoben wird und dies bezweckt, das Kostenrisiko zulasten der beklagten Partei zu vermindern oder auszuschließen, wofür auf den Zeitpunkt der Abtretung abzustellen ist (Ddorf NZKart 15, 201). Ein wegen wucherähnlicher Konditionen sittenwidriges Verpflichtungsgeschäft betrifft nicht die Abtretung, deren Wirksamkeit grds unabhängig davon zu beurteilen ist (BGH NJW 02, 432 [BGH 11.10.2001 - III ZR 63/00]). Eine Abtretung aller zukünftigen Forderungen ist nicht sittenwidrig (Stuttg NJW64, 666; aA RGZ 67, 168; Erman/Martens § 398 Rz 17). Eine Gehaltsabtretung kann sittenwidrig sein, wenn sie neben eine Sicherungsübereignung tritt (Frankf NJW 86, 2713 [OLG Frankfurt am Main 18.06.1986 - 9 U 89/85]).
Rn 68
AGG: Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet idR nicht die Sittenwidrigkeit, sondern die Rechte aus §§ 13–15, 21 AGG.
Rn 69
Allg Geschäftsbedingungen: Vgl Rn 8.
Rn 70
Animierlokal: Überhöhte Getränkepreise verstoßen idR nicht gegen § 138 I (BayObLG NJW 85, 873; Schlesw NJW 05, 226). Nach den Wertungen des ProstG gilt dies auch, wenn damit zugleich sexuelle Leistungen vergütet werden (LG Flensburg NJW-RR 03, 418 [OLG Celle 31.10.2002 - 11 U 44/02]; aA Schlesw NJW 05, 226). Die Begebung von Schecks (BGH NJW80, 1742) bzw Wechseln oder die Unterzeichnung eines Schuldanerkenntnisses zur Zahlung der Schulden ist grds nicht sittenwidrig. Etwas anderes gilt, wenn dem Gast damit die Beweislast für die Höhe der Zechschulden aufgebürdet werden soll (BGH NJW 80, 1742), insb bei einem außergewöhnlich hohen Betrag (BGH NJW 87, 2015 [BGH 15.01.1987 - III ZR 153/85], fast 80.000 DM; Schlesw NJW 05, 225 f, 10 [OLG Schleswig 13.05.2004 - 16 U 11/04].000 DM).
Rn 71
Angehörigenbürgschaft: Vgl Rn 83 ff. Anwaltsvertrag: Drohung mit Mandatsniederlegung unmittelbar vor Termin ist grds nicht sittenwidrig (BGH NJW 13, 1591 [BGH 07.02.2013 - IX ZR 138/11] Tz 8, aber evtl widerrechtliche Drohung, § 123 Rn 39). Die Vereinbarung einer nach Arbeitstagen zu zahlenden Vergütung für einen nach Tagen bezahlten vermittelten Anwalt soll wirksam sein (München NJW 13, 2446). Bei der Beurteilung, ob ein für die Sittenwidrigkeit sprechendes Missverhältnis vorliegt, ist der tatsächliche Aufwand und hierbei der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Eine aufwandsangemessene Vergütung verletzt die guten Sitten nicht. Bei Sachen mit niedrigem oder mittlerem Streitwert kann auch ein Honorar angemessen sein, welches die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt (BGH NJW-RR 17, 377 Rz 20). Umgekehrt kann bei hohen Streitwerten ggf bereits aus der Überschreitung der gesetzlichen Gebühren ein auffälliges Missverhältnis gefolgert werden. Dies ist im Einzelfall zu prüfen (BGH NJW-RR 17, 377 [BGH 10.11.2016 - IX ZR 119/14] Rz 22).
Rn 72
Arbeitsvertrag: Zur sittenwidrigen Arbeitsleistung Rn 43, zum Lohnwucher Rn 55, zu Zölibatsklauseln Rn 26, sittenwidriges Praktikantenentgelt von 375 EUR für Dipl-Ing (LAG BaWü NZA 08, 769 [LAG Baden-Württemberg 08.02.2008 - 5 Sa 45/07]; s.a. Horstmeier JR 06, 313); Anwaltsvergütung etwas über Referendargehalt ist unangemessen iSv § 26 I BORA (vgl BGH NJW 10, 1972 [BGH 30.11.2009 - AnwZ (B) 11/08] Tz 11); sittenwidrige Beteiligung des ArbN am Wirtschaftsrisiko (LAG Hamm DStR 15, 2095 [LAG Hamm 21.04.2015 - 14 Sa 1249/14]); sittenwidriger Arbeitskampf (BGH NJW 78, 816 [BGH 31.01.1978 - VI ZR 32/77]; aber BAG NJW 10, 631 [BAG 22.09.2009 - 1 AZR 972/08]). Die nur ausnahmsweise mögliche Sittenwidrigkeit bewirkt grds die Nichtigkeit ex nunc, vgl Rn 43. Zum Beurteilungszeitpunkt Rn 39. Das Schuldversprechen eines ArbN ist nicht wegen kurzer Überlegungszeit sittenwidrig (BAG NJW 05, 3167 [BAG 15.03.2005 - 9 AZR 502/03]). Ein Schuldanerkenntnis ist nicht wegen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, evtl aber wegen der Bestimmung des Schadensbetrags sittenwidrig (BAG NJW 11, 630 [BAG 22.07.2010 - 8 AZR 144/09] Tz 32).
Rn 73
Arztvertrag: Der Arzt darf das Vertrauensverhältnis nicht ausnutzen, um sich unangemessene Leistungen versprechen zu lassen (Karlsr NJW 01, 2805). Verträge über eine freiwillige Sterilisation sind auch dann nicht sittenwidrig, wenn keine Einwilligung des Ehegatten vorliegt (BGHZ 67, 54). Ein Haftungsausschluss ist sittenwidrig, wenn ihm ein Patient in einer Notlage zustimmt (Saarbr NJW99, 872).
Rn 74
Automatenaufstellvertrag: Überlange Laufzeiten und Kündigungsfristen galten früher als sittenwidrig (BGH NJW 69, 231 [BGH 11.11.1968 - VIII ZR 151/66]), doch sind nunmehr die §§ 306 ff zu berücksichtigen (vgl Ulmer/Brandner/Hensen Anh §§ 9–11 Rz 140 ff). Die Sittenwidrigkeit eines Automatenaufstellvertrags kann sich aus der Gesamtheit belastender Klauseln ergeben (BGH NJW 83, 162 [BGH 07.10.1982 - VII ZR 344/80]).
Rn 75
Bankgeschäfte: Finanztermingeschäfte sind allein wegen ihres ...