I. Der Begriff.
Rn 5
Die grobe Unbilligkeit darf nicht nur vorübergehend zu bejahen sein, weil andernfalls die Möglichkeit der Stundung nach § 1382 besteht (BGH NJW 70, 1600). Maßstab für die Billigkeitskorrektur ist die idealgerechte Durchführung des Zugewinnausgleichs auf der Grundlage des vom Gesetz angenommenen Grundmusters. Deshalb ist sie nicht gegeben, wenn ein Ehegatte Vermögen nur durch seine besondere Tüchtigkeit erworben hat, oder wenn dem Vermögenserwerb jegliche innere Beziehung zur ehelichen Lebensgemeinschaft fehlt, zB bei Grundstückserwerb nur wenige Wochen vor dem Ende der Ehezeit und Finanzierung des vollen Kaufpreises (aA: Celle FamRZ 92, 1300) oder wenn innerhalb der Trennungszeit eine Wertsteigerung der Immobilie eines Ehegatten eintritt (Ddorf FamRZ 15, 1497).
Rn 6
Im Fall der Verletzung wirtschaftlicher Verpflichtungen nach II ist stets schuldhaftes Handeln Voraussetzung für die Annahme grober Unbilligkeit (BGH FamRZ 92, 787; 80, 877), wobei der konkrete Sorgfaltsmaßstab des § 1359 heranzuziehen ist, während die Pflichtverletzung nicht unentschuldbar iSv unverzeihlich sein muss (Staud/Thiele Rz 12). Bei anderen als wirtschaftlichen Gründen fordert die Norm dagegen nicht stets schuldhaftes Verhalten (BGH FamRZ 02, 606).
Rn 7
Die Pflichtwidrigkeiten müssen länger andauern. Hinsichtlich des Zeitraums ist auf die Dauer der Ehe oder des Güterstandes abzustellen (BGH FamRZ 80, 877; Celle FamRZ 79, 431). Je länger die Ehe dauert, desto höher sind die Anforderungen an die Dauer der Pflichtverletzungen (BGH FamRZ 80, 877 [BGH 09.07.1980 - IVb ZR 531/80]), während es auf die Dauer der Ehe allein nicht ankommt (Schulz/Hauß S 182).
Rn 8
Hat der Schuldner das Verhalten des Ehegatten gebilligt, ist § 1381 nicht anzuwenden. Das duldende Gewährenlassen ist aber noch keine Billigung, da Ehegatten nicht zum Widerspruch berechtigt oder gar verpflichtet sind.
Rn 9
Nicht berücksichtigt werden können nacheheliche Umstände, da mit der Beendigung der Ehe jede güterrechtliche Bindung zueinander endet (Staud/Thiele Rz 19; MüKo/Koch Rz 25; Grüneberg/Brudermüller Rz 6; aA: Ddorf FamRZ 95, 3183, 87, 821). Nicht herangezogen werden kann regelmäßig auch Verhalten nach der Zustellung des Scheidungsantrages, weil die Zeit zwischen der Rechtshängigkeit der Ehescheidung und deren Rechtskraft zugewinnausgleichsrechtlich ohne Belang ist (Bremen FamRZ 98, 245; Staud/Thiele Rz 19; Grüneberg/Brudermüller Rz 6; aA Köln FamRZ 98, 1370; Ddorf FamRZ 87, 821). Auch die Herkunft des Zugewinns spielt für § 1381 keine Rolle (BGH FamRZ 22, 425).
II. Anwendungsfälle.
1. Nichterfüllung sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebender wirtschaftlicher Verpflichtungen.
Rn 10
Die schuldhafte Verletzung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden wirtschaftlichen Verpflichtungen ist als Regelbeispiel normiert. Dazu rechnet vorrangig die Verletzung gesetzlicher Unterhaltspflichten wie auch die der Absprachen über Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit (Bremen FamRZ 98, 245).
2. Sonstiges ökonomisches Fehlverhalten.
Rn 11
Es besteht nicht die Pflicht der Ehegatten, ihr Vermögen in angemessener Weise mit dem Ziel der Mehrung des Zugewinns oder in einer allein am Wohl der Familie orientierten Weise zu verwalten, weshalb das Bestehen des Zugewinnausgleichsanspruchs nicht von der Feststellung der Mitwirkung an der Vermögensmehrung abhängt (BGH FamRZ 92, 787; 80, 877). Deshalb scheitert der Zugewinnausgleichsanspruch nicht daran, dass der Gläubiger nicht ausreichend für den eigenen Zugewinn gesorgt hat; die Fälle vorwerfbarer Vermögensminderung werden durch § 1375 II geregelt (Grüneberg/Brudermüller Rz 16; aA: Staud/Thiele Rz 13). Auch Sabotagehandlungen des Ehegatten, die dazu geführt haben, dass die Immobilie des anderen Ehegatten nur unterhalb des Marktpreises veräußert werden konnte, tragen die Unbilligkeitseinrede nicht zwingend (Zweibr FamRZ 22, 1162).
3. Fehlverhalten im persönlichen Bereich.
Rn 12
Ein ehezerstörendes Verhalten, das entweder durch die Erstreckung über einen im Vergleich zur Dauer des Güterstandes längeren Zeitraum oder durch die Schwere eines einmaligen oder kürzer andauernden Verhaltens ganz besonders ins Gewicht fällt, kann die grobe Unbilligkeit begründen (BGH FamRZ 80, 768; NJW 70, 1600). Der Empfang von Prostituierten in einer leerstehenden Wohnung (Ddorf FamRZ 15, 1497) oder eine nur heimliche eheliche Untreue und die innere Abwendung von der Ehe reichen nicht aus (Ddorf FamRZ 81, 262), während als grobe Unbilligkeit begründend angesehen worden sind vielfacher und jahrelang andauernder schwerer Ehebruch (Hamm FamRZ 90, 627; 89, 1188), jahrzehntelange Unterdrückung und Missachtung des ausgleichspflichtigen Ehegatten (Bambg NJW-RR 97, 1435), oder gar dessen Tötung (Nürnbg FamRZ 12, 1940), massive körperliche Misshandlungen (Ddorf FamRZ 09, 1068), die tiefgreifende Kränkung der Ehefrau durch mehrfache Vergewaltigung anderer Frauen (Hambg FamRZ 12, 550), die Vergewaltigung der Tochter der Ehefrau (Zweibr FamRZ 19, 518), die Geburt von 4 Kindern und das Verheimlichen, dass der Ehemann, der jahrelang Unterhalt geleistet hat, nicht der Vater ist (Celle FamRZ 79, 431).
Rn 13
Haben sich die Eheleute getrennt oder eine eheliche Lebensgemeinschaft...