Prof. Dr. Moritz Brinkmann
Gesetzestext
1Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zu Stande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. 2Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
A. Allgemeines.
Rn 1
Unter den Voraussetzungen des § 151 ist der sonst erforderliche Zugang der Annahmeerklärung entbehrlich. Der Vertrag kommt damit schon im Moment der (konkludenten) Annahmeerklärung zustande. Auch hier bewirkt also nicht bloßes Schweigen den Vertragsschluss. Erforderlich ist eine nach außen tretende Betätigung des Annahmewillens.
B. Entbehrlichkeit des Zugangs.
Rn 2
Der Zugang der Annahmeerklärung kann aufgrund einer entspr Verkehrssitte oder eines Verzichts des Antragenden entbehrlich sein. Die Verzichtbarkeit des Zugangs kann auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften gegeben sein, es sei denn, der mit dem Formerfordernis verfolgte Zweck verlangt den Zugang der Annahmeerklärung, wie etwa bei § 766 (Erteilungserfordernis), nicht aber bei § 492 (BGH NJW-RR 04, 1683 [BGH 27.04.2004 - XI ZR 49/03]).
I. Verkehrssitte.
Rn 3
Generell wird man eine verkehrsübliche Erwartungshaltung, dass der Zugang der Annahme nicht erforderlich ist, nicht bei außergewöhnlichen oder wirtschaftlich besonders bedeutsamen Verträgen annehmen können (Köln NJW 90, 1051). Dagegen ist nach der Verkehrssitte der Zugang der Annahme bei der Bestellung von Waren im Versandhandel entbehrlich. Der Vertrag kommt also jedenfalls im Moment der Versendung durch das Versandunternehmen zustande (Staud/Bork Rz 7; MüKo/Busche Rz 9), wenn nicht schon zuvor eine Auftragsbestätigung übermittelt wurde. Auch in Fällen des Kontrahierungszwangs (Vor §§ 145 ff Rn 17 ff) bedarf es keines Zugangs der Annahmeerklärung.
Rn 4
Je eher der Vertrag dem Annehmenden überwiegend Vorteile verschafft, desto geringere Anforderungen sind an die Betätigung des Annahmewillens zu stellen (Brandbg NJW-RR 18, 530 [OLG Brandenburg 31.01.2018 - 13 U 6/17]), insbesondere bei lediglich vorteilhaften Angeboten wie der Annahme eines selbstständigen Garantieversprechens (BGH NJW 88, 1726 [BGH 23.03.1988 - VIII ZR 58/87]) oder eines Schuldbeitritts (BGH NJW-RR 94, 280 [BGH 28.10.1993 - VII ZR 192/92]) und der Abtretung einer Forderung (BGH NJW 00, 276) wird der Antragende regelmäßig nicht erwarten, dass der Annehmende seine Erklärung dem Antragenden übermittelt, soweit hier der Vertrag nicht ohnehin durch Schweigen zustande kommt (§ 516 II 2). Dasselbe gilt im Rahmen der arbeitsrechtlichen betrieblichen Übung (BAG NZA 12, 1279 [BAG 15.05.2012 - 3 AZR 610/11]).
Rn 5
Auch bei Bestehen einer entspr Übung kann der Antragende auf dem Zugang der Annahmeerklärung bestehen (RGZ 134, 76f).
II. Verzicht.
Rn 6
Der Verzicht auf den Zugang der Annahme kann ausdrücklich erfolgen, er kann sich aber auch aus den Umständen ergeben. Im letzten Fall ist die Abgrenzung zur Entbehrlichkeit qua Verkehrssitte fließend. Einen konkludenten Verzicht wird man annehmen können, wenn der Antragende ›sofortige Lieferung‹ verlangt, bei der Erteilung eines sofort auszuführenden Auftrags oder bei Realofferten beispielsweise durch die Zusendung unbestellter Waren außerhalb des Anwendungsbereichs von § 241a. Gerade die Fälle der Entbehrlichkeit aufgrund der Eilbedürftigkeit der Vertragsdurchführung haben infolge der modernen Kommunikationsmittel stark an Bedeutung verloren. Ein Verzicht lässt sich nicht allein daraus ableiten, dass der Antragende bei vereinbarter Schriftform in seiner Offerte nicht ausdrücklich auf die Erforderlichkeit eines Zugangs der Annahmeerklärung hingewiesen hat (BGH NJW 99, 1328 [BGH 22.02.1999 - II ZR 99/98]).
C. Betätigung des Annahmewillens.
Rn 7
Nach § 151 1 ist nur der Zugang der Annahmeerklärung entbehrlich. Es bedarf daher auch in diesen Fällen einer Willenserklärung, sodass die Vorschriften über Willenserklärungen anwendbar sind. Da es allerdings am Zugangserfordernis fehlt, kommt auch eine Widerrufsmöglichkeit analog § 130 I 1 nicht in Betracht (Staud/Bork Rz 22). Der Annahmewille muss in jedem Fall objektiv erkennbar hervortreten (BGH NJW 04, 287 [BGH 14.10.2003 - XI ZR 101/02]). In welchen Handlungen eine ausreichende Betätigung des Annahmewillens zu finden ist, kann grds nur in Würdigung des konkreten Einzelfalls entschieden werden. Dabei ist mangels Empfangsbedürftigkeit der Willensbetätigung nicht auf den Empfängerhorizont (§ 157), sondern darauf abzustellen, ob das Verhalten des Angebotsadressaten vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aufgrund aller äußeren Indizien auf einen ›wirklichen Annahmewillen‹ (§ 133) schließen lässt (BGHZ 111, 97, 101 = NJW 90, 1655). Insofern spielt auch eine Rolle, ob der Vertrag für den Annehmenden lediglich rechtlich vorteilhaft ist (BGH NJW 00, 276 zur Annahme einer Forderungsabtretung). Das Angebot zum Abschluss eines Bürgschaftsvertrags kann der Gläubiger auch durch bloßes Behalten der Urkunde annehmen (BGH NJW 97, 2233 [BGH 06.05.1997 - IX ZR ...