Gesetzestext
(1) 1Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. 2Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.
(2) Ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, unterbricht oder hemmt die in § 1566 bestimmten Fristen nicht.
A. Getrenntleben.
Rn 1
Der Begriff des Getrenntlebens hat grundlegende Bedeutung für alle Scheidungstatbestände und ist – abgesehen vom Ausnahmetatbestand des § 1565 II – immer der maßgebliche Indikator für die Annahme des Scheiterns der Ehe. Daneben ist er Voraussetzung für das Entstehen des Unterhaltsanspruchs nach § 1361, die Verteilung von Haushaltsgegenständen nach § 1361a, den Auskunftsanspruch nach § 1379 I 1 Nr 1 oder für eine Sorgerechtsregelung nach § 1671. Überdies hat das Getrenntleben Auswirkungen auf die Behandlung gemeinsamer Schulden (§ 426 I) oder die Möglichkeit gemeinsamer steuerlicher Veranlagung.
I. Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft.
Rn 2
Hat ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft verlassen, kann das Fehlen der häuslichen Gemeinschaft leicht festgestellt werden. In allen anderen Fällen muss die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft weitestgehend herbeigeführt worden sein, sei es auch innerhalb der Ehewohnung. Nur ein Restmaß an Gemeinsamkeiten wird noch akzeptiert (Kobl FamRZ 24, 107). So kann ein Getrenntleben dann noch angenommen werden, wenn die Eheleute im Fall der Trennung innerhalb der Ehewohnung einzelne Räume weiterhin gemeinsam nutzen und gelegentlich gleichzeitig an einem Tisch essen. Gelegentliche gemeinsame Mahlzeiten mit den Kindern hindern die Annahme der Trennung dann nicht, wenn es sich nur noch um ganz vereinzelte Gemeinsamkeiten handelt, die nicht über die einer bloßen Zweckgemeinschaft hinausgehen (Brandbg FamRZ 21, 367). Geringe Versorgungsleistungen eines Ehegatten stehen der Annahme des Getrenntlebens nicht zwingend entgegen (Hambg MDR 99, 748; München FamRZ 98, 826), wenn sie notgedrungen wegen der Erkrankung des anderen Ehegatten erfolgen (Stuttg NJW-RR 93, 514) oder aufgedrängt sind (Jena OLGR 01, 343).
Rn 3
Ein Getrenntleben kann nicht angenommen werden, wenn die Eheleute das gemeinsame Schlafzimmer weiter benutzen (Hamm FamRZ 99, 723), wenn die Eheleute einander unverändert Versorgungsleistungen in erheblichem Umfang erbringen (Brandbg FamRZ 16, 1869) oder wenn die Eheleute einvernehmlich mit teils arbeitsteiliger Gestaltung bei fortschreitender Verselbstständigung der jeweiligen Lebensverhältnisse die eheliche Lebensgemeinschaft gewissermaßen auslaufen lassen wollen (Zweibr FamRZ 00, 1418). Nimmt ein Ehegatte für den anderen Leistungen nach dem SGB II entgegen und bezeichnet er diesen der Behörde gegenüber als zu seiner Bedarfsgemeinschaft zählend, spricht dies gegen ein Getrenntleben (Köln NZFam 18, 956; Hambg FamRZ 20, 1903), wobei diese Annahme ggf durch substanziierten Vortrag widerlegt werden kann (Hambg aaO).
Rn 4
Leben die Ehegatten nicht in häuslicher Gemeinschaft, so ist maßgeblich auf den Trennungswillen abzustellen, zB im Fall berufsbedingter Trennung (zB Ehe mit Seemann), wo das Getrenntleben dann ansetzt, wenn ein Ehegatte dem anderen erklärt, er wolle nicht mehr ihm zusammenleben (Hamm FamRZ 78, 119). Befindet sich ein Ehegatte in Strafhaft, beginnt das Getrenntleben dann, wenn ein Ehegatte frei zum Ausdruck bringt, er wolle die Gemeinschaft mit dem anderen nicht mehr aufrechterhalten. Hierzu reicht die bloße Einstellung der Besuche in der JVA nicht aus (Dresd MDR 02, 762; Bambg FamRZ 81, 52). Ist ein Ehegatte in einem Pflegeheim untergebracht, kann dieser Umstand allein das Getrenntleben nicht begründen (BGH FamRZ 16, 1142). Hierfür bedarf es vielmehr einer entsprechenden Äußerung oder eines sonstigen für den anderen Ehegatten erkennbaren Verhaltens, das unmissverständlich den Willen zur Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft zum Ausdruck bringt (BGH FamRZ 16, 1142).
II. Trennungsabsicht.
Rn 5
Neben dem objektiven Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft muss der nach außen erkennbar gewordene Wille festgestellt werden, die häusliche Gemeinschaft auch nicht wieder herzustellen. Dieser Wille muss das Motiv für die Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft sein.
Rn 6
Die Feststellung ist leicht zu treffen, wenn der scheidungswillige Ehegatte von dem anderen aufgefordert worden ist, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder herzustellen, sich darauf jedoch weigert. Ein erkennbares äußeres Zeichen ist stets in der ausdrücklichen Erklärung der Trennungsabsicht oder der Stellung des Scheidungsantrages zu sehen (Hamm FamRZ 90, 166; Bambg FamRZ 81, 52).
Rn 7
Besondere Bedeutung kommt der Feststellung der Trennungsabsicht zu, wenn die Trennung innerhalb der Ehewohnung erfolgte oder die häusliche Gemeinschaft – wie bei Strafhaft oder berufsbedingter Trennung – gar nicht bestand. Auch dann ist nur auf die objektive Erkennbarkeit, nicht auf die Kundgabe der Trennungsabsicht...