Rn 12
Aufgrund der Surrogatrspr des BGH (FamRZ 01, 986) kam dem Aufstockungsunterhalt zunehmend Bedeutung zu. Allerdings kann § 1573 II keine von ehebedingten Nachteilen unabhängige Lebensstandardgarantie liefern (BGH FamRZ 07, 2052). Auch hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 1574 I u II die Entscheidung darüber relativiert, welche Art von Erwerbstätigkeit aufgrund der ehelichen Verhältnisse für einen geschiedenen Ehegatten angemessen ist. Abzustellen ist maßgeblich darauf, ob eine angemessene Erwerbstätigkeit, wie sie bspw vor der Ehe ausgeübt wurde, bei einer als Korrektiv nachfolgenden Billigkeitsprüfung aufgrund der ehelichen Lebensverhältnisse als unbillig zu beurteilen ist. Der Berechtigte hat ggf darzulegen und zu beweisen, dass eine für ihn erreichbare Erwerbstätigkeit aufgrund dieser ehelichen Verhältnisse unzumutbar ist (BTDrs 16/1830 S 17). Der Anspruch besteht auch bei früherer Gütergemeinschaft (Oldenburg FamRZ 10, 213).
I. Subsidiarität.
Rn 13
Aufstockungsunterhalt nach § 1573 II ist wie der Anspruch nach I subsidiär ggü §§ 1570–1572 (BGH FamRZ 99, 708) und §§ 1575, 1576. Kommt wegen vorhandener Erwerbshindernisse keinerlei Berufstätigkeit in Betracht, beruht der Anspruch insgesamt auf §§ 1570–1572, bei einer Teilerwerbstätigkeit beruht der Anspruch auf §§ 1570 bis 1572, soweit die Einkommensdifferenz durch Erkrankung, Kinderbetreuung etc verursacht wurde, iÜ auf § 1573 II (BGH FamRZ 11, 192; 10, 869). Wenn der Berechtigte aus einem der in §§ 1570, 1571 oder 1572 aufgeführten Gründe vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, besteht nur nach dem jeweiligen Unterhaltstatbestand ein Unterhaltsanspruch auf den vollen Unterhalt, dh auch für den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht auf das Erwerbshindernis, sondern auf dem den angemessenen Lebensbedarf übersteigenden Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen gem § 1578 I 1 beruht. Es besteht kein Anspruch nach § 1573 II (BGH NJW 14, 1302; 10, 1050).
Rn 14
Ist der Berechtigte wegen Kindesbetreuung, Alter oder Krankheit nur teilw an einer Erwerbstätigkeit gehindert, erfassen die Ansprüche nach §§ 1570, 1571 oder 1572 den Unterhalt jeweils nur bis zur Höhe des Mehreinkommens, das der Berechtigte bei einer vollen Erwerbstätigkeit hätte erzielen können. Reicht dieser Unterhaltsanspruch zusammen mit dem Teilerwerbseinkommen nicht zur Deckung des vollen Bedarfs, besteht zusätzlich ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (BGH NJW 14, 1302).
Rn 15
Besteht ein Teilunterhaltsanspruch auf Betreuungsunterhalt, Alter oder Krankheit und ein weiterer Teilanspruch auf Aufstockungsunterhalt, unterfällt der Gesamtunterhalt dem Rang des § 1609 Nr. 2 (BGH FamRZ 14, 1987).
Rn 16
Ansprüche nach §§ 1575 und 1576 sind ggü Ansprüchen nach § 1573 II vorrangig.
II. Angemessene Erwerbstätigkeit.
Rn 17
Der Unterhalt begehrende Ehegatte muss eine angemessene Erwerbstätigkeit (Legaldefinition § 1574) ausüben (BGH FamRZ 05, 23; Celle FamRZ 10, 1673). Eine angemessene Erwerbstätigkeit kann auch in der Ausübung von zwei Teilzeitbeschäftigungen bestehen (BGH FamRZ 12, 1483). Ist die Tätigkeit nicht angemessen, beruht ein Anspruch auf § 1573 I (BGH FamRZ 88, 265). § 1573 II ist auch anzuwenden, wenn sich der Unterhaltsgläubiger um die ihm obliegende Erwerbstätigkeit nicht genügend bemüht, das ihm deshalb anzurechnende fiktive Einkommen aber seinen vollen Unterhalt iSd § 1578 I nicht decken würde (Bambg FamRZ 98, 289). § 1573 II besteht grds in der Erhaltung des Lebensstandards des geringer verdienenden Ehegattens. Nach der Intention des Gesetzgebers soll ein Anreiz geschaffen werden, auch solche Tätigkeiten beizubehalten oder zu übernehmen, die den angemessenen Unterhalt nicht in vollem Umfang sichern. Haben die Voraussetzungen bereits zur Zeit der Scheidung vorgelegen, schadet eine spätere Geltendmachung nicht (BGH FamRZ 10, 1311; Kobl FamRZ 16, 1460).
III. Einkommensgefälle.
Rn 18
Geringfügige Einkommensdifferenzen sind nicht auszugleichen (BGH FamRZ 84, 988; Kobl FamRZ 20, 239; Frankf FamRB 19, 255; Hamm FamRZ 19, 792; Karlsr FamRZ 10, 1082: 63 EUR nicht gering; Brandbg FamRZ 05, 210: Aufstockungsunterhalt muss einen Mindestbetrag von (seinerzeit) 100 DM erreichen). Maßgebend für die Größenordnung des Aufstockungsbetrages, die nicht mehr vernachlässigt werden kann, sind die ehelichen Lebensverhältnisse. Je niedriger sie sind, umso weniger kann Aufstockungsunterhalt versagt werden (Hamm FamRZ 19, 792; K'he FamRZ 10, 1082). Richtschnur kann eine prozentuale Grenze, etwa bei einer Einkommensdifferenz von weniger als 10 % der bereinigten Nettoeinkünfte sein (Kobl FamRZ 20, 239; München FuR 04, 179). Dadurch bleiben auch geringere Unterhaltsbeträge, die bei kleineren Einkommen wichtig sind, garantiert (vgl auch Karlsr FamRZ 10, 1082: keine schematische Grenzziehung oder Schlesw FuR 08, 618: Anspruch besteht auch, wenn Einkommensdifferenz ausschließlich auf dem Erwerbsbonus beruht).
Rn 18a
Kasuistik zur Bagatellgrenze:
- Bagatellgrenze bei 50,– EUR (Brandbg FamRZ 06, 341; Ddorf FamRZ 96, 947)
- 10 % des nach Abzug des Anreizsiebtels verbleibenden Gesa...