Gesetzestext
(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.
(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.
(4) 1Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. 2War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.
A. Normzweck.
Rn 1
IRd vorrangig zu beachtenden (BGH FamRZ 91, 416) Gebots der wirtschaftlichen Eigenverantwortung (§ 1569) schützt § 1573 den Unterhaltsgläubiger weitgehend vor einem sozialen Abstieg nach Beendigung der Ehe (BGH NJW 83, 1483 [BGH 24.12.1982 - IVb ZR 326/81]). Zu diesem Zweck wird in § 1573 I dem geschiedenen Ehegatten, der in das Arbeitsleben noch nicht wieder eingegliedert ist, ein Unterhaltsanspruch eingeräumt (›Erwerbslosenunterhalt‹). § 1573 II gibt dem Ehegatten, der im Zeitpunkt der Scheidung erwerbstätig ist, dessen Einkünfte jedoch nicht den vollen Unterhalt iSd § 1578 erreichen, einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt. §§ 1573 III (›Anschlussunterhalt‹) u IV (›Unterhaltsanspruch nach Wegfall einer angemessenen Erwerbstätigkeit‹) dehnen für beide Ansprüche den maßgeblichen Zeitpunkt (Scheidung) auf weitere Einsatzzeitpunkte aus. Die Unterhaltstatbestände des § 1573 dienen der Erhaltung des ehelichen Lebensstandards, ohne jedoch strikt auf eine ehebedingte Bedürftigkeit beschränkt zu sein (BGH FamRZ 82, 892). Dies entspricht der Tatsache, dass das in der Ehe erreichte Lebensniveau im Regelfall als eine Leistung beider Ehegatten anzusehen ist, so dass die nacheheliche Mitverantwortung eine Aufrechterhaltung dieses Lebensstandards rechtfertigt. Auch in Doppelverdienerehen hat in zahlreichen Fällen ein Ehepartner mit Rücksicht auf Kinderinteressen oder die Interessen des anderen auf eine berufliche Weiterentwicklung verzichtet. Es wäre nicht gerecht, ihm die fortwirkenden Nachteile dieser Lebensgestaltung bei einem Scheitern der Ehe allein aufzuerlegen. Liegen jedoch keine ehebedingten Nachteile vor, ist die dauerhafte Aufrechterhaltung des ehelichen Lebensstandards nicht gerechtfertigt (eingehend zu Legitimationsdefiziten eines darüber hinausgehenden Unterhalts Brudermüller, Geschieden und doch gebunden?, Beck 08, S 140 ff).
B. Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit.
Rn 2
Nach § 1573 I kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
I. Anspruchsvoraussetzungen.
Rn 3
Der Anspruch ist gegeben, wenn kein Anspruch nach §§ 1570, 1571 oder 1572 besteht, der Berechtigte trotz notwendiger Bemühungen keine angemessene Erwerbstätigkeit findet, die Bedürfnislage zu den maßgeblichen Einsatzzeitpunkten vorliegt und noch keine nachhaltige Unterhaltssicherung durch eine bereits ausgeübte angemessene Erwerbstätigkeit erfolgt.
1. Subsidiarität.
Rn 4
Bei Vorliegen der Voraussetzungen einer vorrangigen Norm (§§ 1570, 1571, 1572, 1575, 1576) besteht kein Anspruch, auch kein Teilanspruch, aus § 1573 I (BGH FamRZ 99, 708). Ein Anspruch nach § 1573 I besteht nicht, solange der Berechtigte eine angemessene Tätigkeit ausübt. Geht der Berechtigte einer angemessenen Teilzeitbeschäftigung, nicht jedoch einer zumutbaren Vollzeitbeschäftigung, nach, kann er über § 1573 I einen Anspruch hinsichtlich des durch die Teilzeitbeschäftigung noch nicht gedeckten vollen Unterhaltsbedarfs geltend machen. Bei einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit hat der Berechtigte sich grds unter Einsatz aller zumutbarer möglichen Mittel um eine vollschichtige Tätigkeit durch Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber zu bemühen. Genügen die Erwerbsbemühungen des unterhaltbegehrenden Ehegatten diesen Anforderungen nicht, ist ein fiktives Einkommen in Höhe eines realistischerweise erzielbaren Einkommens zuzurechnen (BVerfG FamRZ 21, 274; Brandbg FuR 21, 35; zur Beendigung der Fiktion BGH FamRZ 08, 872). Übt der Berechtigte eine vollschichtige, jedoch nicht angemessene Tätigkeit aus, kann er über § 1573 I einen Anspruch hinsichtlich der Differenz zwischen dem ›vollen Bedarf‹ (§ 1578 I) und den anrechenbaren Einkünften aus der nicht angemessenen Tätigkeit geltend machen. Die Verpflichtung, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen (vgl Rdn 6), ...