Rn 18
Aufgrund des Gegenseitigkeitsprinzips sind die Maßstäbe für die Vermögensverwertungsobliegenheit des Unterhaltsgläubigers nach § 1577 III regelmäßig identisch mit denen für den Pflichtigen nach § 1581 2 (BGH FamRZ 85, 354 [BGH 27.06.1984 - IVb ZR 20/83]). Der Bedürftige muss vor Inanspruchnahme des Verpflichteten den Vermögensstamm verbrauchen. Er ist auf die voraussichtliche Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit zu verteilen (BGH FamRZ 85, 360). Eine Vermögensverwertungsobliegenheit besteht nicht, wenn die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Die Wirtschaftlichkeit ist insb zu verneinen, wenn die Vermögensverwertung zu einem nicht mehr vertretbaren wirtschaftlichen Schaden führt (BGH FamRZ 80, 43). Eine Unwirtschaftlichkeit kann sich auch unter Berücksichtigung des Lebensalters des Gläubigers und der voraussichtlichen Dauer der Bedürftigkeit sowie der Ertragsstärke des Vermögens ergeben, insb wenn der Gläubiger durch die Verwertung seines Vermögens die Basis für eine langfristige Sicherung seines Unterhalts aus eigenen Mitteln aufgeben müsste (München FamRZ 94, 1459).
Das Gleiche gilt, wenn ein zu erwartender Erlös in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert der Sache für den Bedürftigen steht. Bei der Prüfung der Unbilligkeit der Verwertung sind die Rechtsgedanken aus § 180 III ZVG (Hausgrundstück, auf dem gemeinsame Kinder wohnen), § 90 II Nr 8 SGB II (kleines Hausgrundstück) und § 90 II Nr 9 SGB II (Notgroschen) zu berücksichtigen. Maßgeblich sind die persönlichen Lebensumstände, insb das Lebensalter und der Gesundheitszustand der Beteiligten, die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten (keine Vermögensverwertungsobliegenheit, wenn iRd Vermögensauseinandersetzung beiden Beteiligten etwa gleiche Werte zugeflossen sind, BGH FamRZ 85, 354; Hamm FamRZ 10, 655), die Ertragsmöglichkeiten der Vermögensgegenstände im Vergleich zu ihrem ideellen Wert (BGH FamRZ 85, 354 [BGH 27.06.1984 - IVb ZR 20/83]), die Notwendigkeit von Rücklagen für den Fall der Not und der Krankheit (BGH FamRZ 85, 360), die Rücksichtnahme auf Belange naher Angehöriger (BGH FamRZ 84, 364; 80, 126 für den Verlust eines Wohnrechts eines Elternteils) und Affektionsinteressen.
An die Voraussetzungen einer Verwertung des Vermögensstamms während der Trennungszeit sind höhere Anforderungen zu stellen als beim nachehelichen Unterhalt (BGH FamRZ 12, 517). Von dem geschiedenen Ehegatten ist der sofortige Einsatz des aus dem Zugewinnausgleich erhaltenen Vermögens unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht zu erwarten, wenn dem Pflichtigen ein Vermögen vergleichbarer Größenordnung zur Verfügung steht. Ein teilw Vermögensverbrauch ist aber in Betracht zu ziehen, wenn der Berechtigte auf weitere Anrechte zur Altersversorgung aus dem Versorgungsausgleich sowie auf den tatsächlich erhaltenen Vorsorgeunterhalt zurückgreifen kann (Hamm FamRZ 12, 1950).
1. Einsatz eigenen Vermögens.
Rn 19
Das G geht von dem Grundsatz aus, dass vorhandenes Vermögen für den eigenen Unterhalt zu verbrauchen ist, bevor der andere Ehegatte auf Unterhalt in Anspruch genommen werden kann. Dabei steht nur ein saldierter Überschuss des Aktiv- über das Passivvermögen zur Deckung des eigenen Unterhalts zur Verfügung (München FamRZ 93, 62). Zum einzusetzenden Vermögen zählen grds alle Vermögenswerte unabhängig von ihrer Herkunft oder Anlageform. Hierzu zählen etwa laufende Kontoguthaben (BGH FamRZ 03, 1544), Alterskapital beim Zugewinn (BGH FamRZ 03, 153), Schmerzensgeld (BGH FamRZ 88, 1031; zur Verwertung ererbten Vermögens vgl auch Oldbg FamRZ 05, 718), aus dem Zugewinn erhaltene Kapitalbeträge (BGH FamRZ 85, 357; Hamm FamRZ 12, 1950), Anteile an einer Erbengemeinschaft (BGH FamRZ 80, 126), Allein- oder Miteigentum an Grundstücken (BGH FamRZ 84, 662) oder der Erlös aus der Veräußerung einer früher gemeinsam genutzten Immobile (BGH FamRZ 85, 354). Die Pflicht zum Einsatz des Vermögens setzt ein, wenn nach Anrechnung der Vermögenserträge ein noch ungedeckter Bedarf besteht. Das Vermögen ist auf die voraussichtliche Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit zu verteilen (BGH FamRZ 98, 367; Saarbr FamRZ 08, 698: Verwertung des Erlöses nach Immobilienverkauf; Karlsr FamRZ 10, 655). Bei ungewisser Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit dient vorhandenes Vermögen der ergänzenden Sicherung des Bedarfs auf Lebenszeit (BGH FamRZ 85, 354). Die Grenzen der Vermögensverwertungsverpflichtung sind erreicht, wenn der Bedürftige restliches Kapital als angemessene Rücklage für plötzlich auftretenden Sonderbedarf, etwa für den Fall der Krankheit, benötigt (BGH FamRZ 84, 364; 85, 354; Hambg FamRZ 96, 292: ca 4.450 EUR Sparguthaben).
2. Unwirtschaftlichkeit oder Unbilligkeit.
Rn 20
Eine Vermögensverwertungsobliegenheit besteht nicht, wenn die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Die Wirtschaftlichkeit ist insb zu verneinen, wenn die Vermögensverwertung zu einem nicht mehr vertretbaren wirtschaftlichen Schaden führt...