Rn 19
Härtegrund ist ein eheliches Fehlverhalten das sowohl bis zur Scheidung als auch nach der Scheidung begangen werden kann.
1. Schwerwiegendes Fehlverhalten.
Rn 20
Bis zur Scheidung muss es sich um einen schweren Verstoß gegen die ehelichen Pflichten handeln. Dazu gehören eheliche Treuepflichten, eheliche Solidarität und der Grundsatz der Gegenseitigkeit. Diese Verpflichtungen enden mit der Rechtskraft der Scheidung (BGH FamRZ 95, 344). Allerdings wandelt sich die eheliche Solidarität in eine nacheheliche Solidarität, so dass grobe Verstöße dagegen auch nach der Scheidung ebenfalls den Verwirkungstatbestand erfüllen können. Erforderlich sind Verstöße gegen das Gebot der Rücksichtnahme der beiderseitigen persönlichen und wirtschaftlichen Interessen und des Umgangs miteinander. Das Fehlverhalten muss sich gegen den Verpflichteten richten. Es muss außerdem schuldhaft sein, so dass hier ebenfalls Schuldfähigkeit vorausgesetzt ist.
2. Einseitigkeit.
Rn 21
Das schwerwiegende Fehlverhalten muss eindeutig beim Berechtigten liegen. Aus diesem Grunde muss das Verhalten des Verpflichteten stets mitberücksichtigt werden (BGH FamRZ 81, 1042).
3. Einzelfälle.
Rn 22
In Betracht kommen Verstöße gegen die eheliche Treuepflicht, wenn der Berechtigte während der Ehe ein nachhaltiges, auf längere Dauer angelegtes intimes Verhältnis zu einem Dritten aufnimmt und gegen den Willen des Verpflichteten fortführt (BGH FamRZ 89, 1279). Dies gilt auch bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen (BGH FamRZ 08, 1414). Ausreichend ist ferner eine intime Beziehung zu wechselnden Partnern, ferner ein Ausbrechen aus der Ehe, wenn dies zum Zusammenleben mit einem Dritten in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft führt (BGH FamRZ 89, 487; 86, 722). Ausreichend ist auch das Unterlassen eines Hinweises auf Zweifel, dass das während der Ehe geborene Kind von einem anderen Mann abstammen könnte (BGH FuR 2012, 314 – die Sperrwirkung des § 1599 I gilt für die Feststellung der Verwirkung nicht, so dass die Klärung der Vaterschaft nicht im Statusverfahren erfolgen muss, sondern durch eine Beweisaufnahme nach ZPO-Grundsätzen zu klären ist). Die Einseitigkeit des Fehlverhaltens ist dann nicht gegeben, wenn der andere Ehegatte sich ebenfalls von seinen ehelichen Bindungen distanziert hat und seine Ehe faktisch als nicht mehr bestehend betrachtet (BGH FamRZ 81, 752), beim Verpflichteten die ehelichen Gefühle bereits zum Zeitpunkt der Abkehr des Berechtigten erkaltet waren und dieser deshalb von dem Fehlverhalten nicht mehr betroffen sein konnte (BGH NJW 86, 722) oder aber der Verpflichtete schwere Eheverfehlungen gegen den Berechtigten begangen hat, diesen geschlagen hat (BGH FamRZ 89, 487) oder häufig betrunken war und es deshalb zu wüsten Auseinandersetzungen gekommen ist (BGH FamRZ 82, 463). Dabei kann allerdings nicht jedes Fehlverhalten des Verpflichteten dem Berechtigten den Charakter der Einseitigkeit nehmen. Es müssen vielmehr konkrete Verfehlungen vorgebracht werden, denen einiges Gewicht zukommt und die dazu führen, dass dem Berechtigten das Festhalten an der Ehe erheblich erschwert worden ist (BGH FamRZ 83, 670 [BGH 12.01.1983 - IVb ZR 348/81]).
4. Darlegungs- und Beweislast.
Rn 23
Der Verpflichtete hat die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihm die Zahlung von Unterhalt unzumutbar ist. Er muss also ein offensichtlich schwerwiegendes eindeutig beim Berechtigten liegendes Fehlverhalten darlegen und beweisen. Dazu gehört auch die Einseitigkeit des Fehlverhaltens. Dies führt dazu, dass er etwaige Gegenvorwürfe des Unterhaltsberechtigten ausräumen muss. Damit er allerdings nicht in unüberwindliche Beweisschwierigkeiten gebracht wird, müssen die Vorwürfe des Unterhaltsberechtigten so konkret sein, dass sie überhaupt widerlegt werden können. Darüber hinaus muss er nicht auf alle Vorwürfe des Berechtigten reagieren, sondern nur auf solche von einigem Gewicht. Je allg die Gegenvorwürfe sind, desto unsubstanziierter ist das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten, so dass diesen Gegenvorwürfen nicht nachgegangen werden muss.