Rn 2
Tatbestandlich sind drei unterschiedliche Ansprüche geregelt. Der Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung (Abs 1 S 1) ist unmittelbar mit der Duldungspflicht zur Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe verbunden. Die Duldung umfasst die Pflicht zum Erscheinen am Ort der Probenentnahme, zur Identitätsfeststellung sowie die Mitwirkung an der Entnahme genetischen Materials durch einen Mundschleimhautabstrich oder eine Blutprobe. Zusätzlich besteht der Anspruch der klärungspflichtigen Personen auf Einsicht in das Abstammungsgutachten, das nicht im gerichtlichen Verfahren eingeholt wird oder auf Aushändigung einer Abschrift (Abs 4). Das Verfahren dient allein der Klärung der Abstammung, nicht der statusrechtlichen Korrektur.
Rn 3
Die Ansprüche bestehen in Zweifelsfällen ggü dem Vater und der Mutter, auch wenn die Mutterschaft in § 1591 ohne Anfechtungsmöglichkeit geregelt ist. Die Ansprüche auf Einwilligung und Duldung sind an keine weiteren materiell-rechtlichen Voraussetzungen gebunden und bewusst niederschwellig ausgestaltet (BGH FamRZ 17, 219; Kobl FamRZ 14, 406). Die anspruchsberechtigte Person muss keine Gründe für ihr individuelles Interesse an einer Klärung oder etwaige Zweifel an der Abstammung darlegen. Der für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren erforderliche Anfangsverdacht ist im Klärungsverfahren gerade nicht darzulegen. Der Anspruch ist an keine Frist gebunden und unterliegt nicht der Verjährung. Die klärungspflichtige Person kann dem Klärungsbegehren daher vom Einwand des Rechtsmissbrauchs bzw der Kinderschutzklausel nicht entgegentreten (Karlsr FamRZ 21, 1148). Die gerichtliche Entscheidung ersetzt nach § 17 VII GenDG die nach § 17 I und III GenDG erforderliche Einwilligungserklärung.
Rn 4
Tatbestandlich ist der Anspruch nur dadurch begrenzt, dass die Probe nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden muss (§ 1598a Abs 1 S 2), wobei primär auf die durch die RL der GEKO zur genetischen Abstammungsanalyse abzustellen ist, sodass idR ein Mundschleimhautabstrich ausreichend ist (München FamRZ 11, 1878). Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die leibliche Abstammung des Kindes bereits durch ein vorangegangenes Abstammungsgutachten erwiesen ist. Nur ausnw besteht ein Bedürfnis für ein zweites Gutachten bzw für eine weitere Klärung, wenn die früher erfolgte Begutachtung fehlerhaft durchgeführt worden ist oder das vorliegende Abstammungsgutachten ›nicht geeignet ist, dem Anspruchsinhaber die ausreichend sichere naturwissenschaftliche Gewissheit und damit Kenntnis der Abstammung zu vermitteln‹ (BGH FamRZ 17, 219; Frankf FamRZ 16, 1476). Schwerwiegende Zweifel können bei einem geringen Wahrscheinlichkeitsgrad oder bei einer erbbiologischen Untersuchung bestehen. Eine nach ausländischem Recht erfolgte statusrechtliche Abstammungsfeststellung entfaltet keine Sperrwirkung (BGH FamRZ 19, 1543). Fehler bei der Entnahme oder Analyse der Probe können die Aussagekraft des zuvor erstatteten Gutachtens entkräften (BGH FamRZ 22, 459). Der Ablauf der Anfechtungsfrist nach § 1600b steht dem Klärungsanspruch nicht entgegen (Jena NJW-RR 10, 300 [KG Berlin 08.10.2009 - 8 U 196/07]). Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten lässt sich weder aus einer früheren vertrauensvollen Beziehung noch aus Erbstreitigkeiten oder einer beabsichtigten Adoption herleiten (Schlesw FamRZ 11, 1805, München FamRZ 11, 1878).
Rn 5
Die sog Kinderschutzklausel in Abs 3 begrenzt den Klärungsanspruch zeitlich, weil das Verfahren auszusetzen ist (§ 21 I FamFG), wenn und solange die Klärung der leiblichen Abstammung für das minderjährige Kind eine erhebliche und unzumutbare Beeinträchtigung bedeuten würde. Die Aussetzungsmöglichkeit soll den Schutz des minderjährigen Kindes in bestimmten Lebens- und Entwicklungsphasen gewährleisten. Die durchzuführende Untersuchung oder deren Ergebnis müssen für das minderjährige Kind mit besonders schwerwiegenden psychischen oder physischen Beeinträchtigungen verbunden sein, die nur in sehr seltenen Ausnahmefällen, etwa bei Suizidgefahr oder einer gravierenden Verschlechterung einer bestehenden schweren Erkrankung (zB Magersucht oder Borderline-Persönlichkeit), in Betracht kommen, während eine Erkrankung an Neurodermitis nicht ausreichend ist (Kobl FamRZ 14, 406; Schlesw FamRZ 11, 1805; Karlsr FamRZ 12, 1148). Auf volljährige Kinder oder Verfahrensbeteiligte ist die Regelung nicht analog anwendbar. Die Aussetzung ist nach § 21 II FamFG mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.