Rn 1
Der dem Pflichtigen zu belassende Selbstbehalt variiert je nachdem, ob er dem Berechtigten nach II gesteigert unterhaltsverpflichtet ist oder eine ›normale‹ Unterhaltsverpflichtung nach I besteht, wobei in diesem Rahmen auch die gesetzliche Ausgestaltung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Rangfolge von Bedeutung ist.
1. Gesteigerte Unterhaltsverpflichtung.
Rn 2
Dafür gilt der notwendige Selbstbehalt, der von den Oberlandesgerichten unterschiedlich festgelegt worden ist. Entspr Angaben finden sich in den Leitlinien unter 21.2. In dem Selbstbehalt ist ein Betrag für den Wohnbedarf enthalten, der ebenfalls beziffert ist. Bei höheren oder geringeren Mietkosten oder sonstigen Umständen kann der Selbstbehalt im Einzelfall angemessen abgesenkt oder erhöht werden. Insbesondere können die Vorteile des Zusammenlebens mit einem neuen Partner zur Senkung des Selbstbehalts berücksichtigt werden (BGH FamRZ 08, 778). Die Haushaltsersparnis kann mit 10 % des Selbstbehalts in Ansatz gebracht werden (vgl BGH FuR 2010, 637). Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Partner angemessen an den Kosten der Haushaltsführung beteiligen kann. Für diese Beurteilung kann der Mindestbedarf eines mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten herangezogen werden (BGH FamRZ 16, 887). Gleiches gilt auch im Falle des Zusammenlebens mit einem Ehegatten. An dem durch die Eheschließung erlangte Splittingvorteil partizipieren auch die Kinder. Er ist daher Einkommen bei er Berechnung des Kindesunterhalts (BGH FuR 10, 574). Der notwendige Selbstbehalt ist an die gesteigerte Unterhaltspflicht geknüpft und endet, wen diese nicht mehr besteht. Bei nicht gesteigerter Unterhaltspflicht gilt der angemessene Selbstbehalt.
2. Normale Unterhaltsverpflichtung.
Rn 3
Bei nicht gesteigerter Unterhaltsverpflichtung variiert der Selbstbehalt je nachdem ob es sich um Unterhalt für volljährige Kinder, Eltern oder eine Unterhaltsverpflichtung nach § 1615l handelt. Auch hier weichen die Leitlinien voneinander ab. Entspr Regeln finden sich in den Leitlinien unter 21.3. Auch hier ist es möglich, den Selbstbehalt im Einzelfall zu senken oder zu erhöhen. Hat ein volljähriges Kind eine eigene Lebensstellung entwickelt, bevor es bedürftig geworden ist, gilt für Eltern ein erhöhter Selbstbehalt, der an dem bisherigen Elternunterhalt anknüpfen dürfte. Im Hinblick auf das Angehörigen-Entlastungsgesetz haben mehrere OLG in ihren Leitlinien offengelassen, wie sie den Elternunterhalt bemessen. Da der Anwendungsbereich des Angehörigen-Entlastungsgesetzes für den vorliegenden Unterhalt nicht gilt, dürfte auch der dadurch beeinflusste Selbstbehalt nicht einschlägig sein. Es ist vielmehr angebracht, an den früheren Selbstbehalt beim Elternunterhalt anzuknüpfen, der bei 2.000 EUR lag und im Hinblick auf die jetzige Erhöhung der übrigen Selbstbehalte angepasst werden muss.
Beim Elternunterhalt ist das Angehörigen-Entlastungsgesetz zu beachten. Nach § 43 Abs 1a SGB XII sind bei der Prüfung der Bedürftigkeit der Eltern deren Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Kindern nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen iSd § 16 des Vierten Buches beträgt jew mehr als 100.000 EUR (Jahreseinkommensgrenze).
Rn 3a
Unter Einkommen ist die Summe der Einkünfte iSd Einkommensteuerrechts gem § 2 Abs 1 EStG zu verstehen, zB Erwerbseinkommen, Einkünfte aus Vermietung, Landwirtschaft oder Verpachtung. Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen mindern das hier relevante Einkommen ebenso wenig wie Einkommens-, Kirchensteuer oder Solidaritätszuschlag. Berücksichtigt werden lediglich die Werbungskosten gem § 2 Abs 2 EStG. Dies bedeutet, dass der Einkommensbegriff nach § 43 Abs 1a SGB XII sich weder mit dem steuerrechtlichen Einkommen nach § 2 Abs 4 EStG noch mit dem unterhaltsrechtlichen oder mit dem sozialrechtlichen Einkommen deckt.
Rn 3b
Abzustellen ist allein auf die Einkommensgrenze von 100.000 EUR. Das bedeutet, dass weder vorrangige Unterhaltspflichten gegenüber dem Ehegatten oder Kindern noch anerkennungsfähige Verbindlichkeiten bei der Prüfung der Einkommensgrenze abzugsfähig sind. Dies betrifft natürlich nicht die eigentliche Unterhaltsberechnung, für die die üblichen Unterhaltsgrundsätze maßgeblich sind.
Rn 3c
Wenn das Einkommen des Kindes 100.000 EUR brutto pro Jahr überschreitet, wird die Höhe des zu zahlenden Unterhalts nach der bisherigen Berechnungsmethode ermittelt. Allerdings sind die Selbstbehalte auf das Niveau der Jahreseinkommensgrenze von 100.000 EUR anzupassen und daher auf etwa 5.000 EUR pro Monat anzuheben. Dieser Betrag entspricht in etwa einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 EUR, umgerechnet in ein Nettoeinkommen. Darüber wird sich die Rspr in nächster Zeit Gedanken machen müssen.