Rn 2
Der Absatz wurde durch das G zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung vom 2.11.00 und G zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4.5.21 (BGBl I 882) neu gefasst und an § 1788 angepasst. Es handelt sich nunmehr um eine Gebotsnorm, die die Rechte des Kindes auf Pflege und Erziehung konkretisiert. Auch weiterhin kommt der Norm va Appellcharakter zu mit dem Ziel einer Bewusstseinsänderung der Bevölkerung (Heger/Schomburg KindPrax 00, 172). Sie beinhaltet nicht nur ein Verbot von Gewalt, sondern gibt dem Kind ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Darin soll zum Ausdruck kommen, dass das Kind als Person mit eigener Würde und als Träger von Rechten und Pflichten die Achtung seiner Persönlichkeit auch von den Eltern verlangen kann (Staud/Salgo § 1631 Rz 83). Ergänzt wird die Vorschrift durch § 1626 II, der die Erziehungsgrundsätze positiv beschreibt. Die lege artis aus zwingenden religiösen Gründen durchgeführte Beschneidung ist nach richtiger Ansicht vom Erziehungsrecht der Eltern gedeckt, da sie vorrangig berufen sind, für ihr Kind dessen Religionsfreiheit in Anspruch zu nehmen; anders verhält es sich mit anderen religiös oder kultisch motivierten schweren und gefährlichen körperlichen Eingriffen, wie etwa der Beschneidung von Mädchen (Spickhoff FamRZ 12, 1423; ähnlich OVG Lüneburg NJW 03, 3290; Frankf FamRZ 08, 785; aA LG Köln FamRZ 12, 1421).
Rn 3
II konkretisiert das Gewaltverbot, wobei die ›entwürdigenden Maßnahmen‹ Oberbegriff und Auffangtatbestand bilden (Staud/Salgo § 1631 Rz 89). Verboten sind demnach körperliche Bestrafungen, va Schläge, aber auch Ohrfeigen, Schütteln, Ohrenziehen, kräftiges Zupacken oder auch nur ein ›Klaps‹. Denn als Sanktion eingesetzt, stellt auch eine nur geringfügige körperliche Einwirkung, wenn schon keine körperliche Bestrafung ieS, so jedenfalls eine entwürdigende Maßnahme dar (vgl Staud/Salgo § 1631 Rz 86). Seelische Verletzungen werden va durch beleidigende, missachtende oder gefühlskalte Äußerungen oder Verhaltensweisen herbeigeführt.
Rn 4
II steht einer körperlichen Einwirkung auf das Kind zu dessen Schutz (Wegreißen) oder zur Durchsetzung berechtigter Verbote (Entwinden gefährlicher Gegenstände) mangels Strafcharakter nicht entgegen (Grüneberg/Götz § 1631 Rz 7; Staud/Salgo § 1631 Rz 85).
Rn 5
Eine Sanktion wegen eines Verstoßes gegen II, sieht die Vorschrift nicht vor. Doch können im Übertretungsfall sowohl eine strafrechtliche Verfolgung, insb wegen Körperverletzungsdelikten, oder Maßnahmen nach § 1666 in Betracht kommen.