Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung des Aufenthaltsbestimungsrechts auf einen Elternteil entgegen früherer Vereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben die Eltern in einem gerichtlichen Verfahren eine Vereinbarung zum Sorgerecht getroffen, ist mangels Vorliegens einer gerichtlichen Entscheidung im Falle eines Abänderungsbegehrens § 1696 BGB nicht anwendbar. Die Eltern sind an die Vereinbarung gebunden. Eine Abänderung kommt nur in Betracht, wenn eine wesentliche Veränderung der früheren Umstände eingetreten ist.
2. Ist das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung bei einem der Elternteile besser gewährleistet, kann dieser Umstand die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 1631 Abs. 2, §§ 1671, 1696
Verfahrensgang
AG Jena (Beschluss vom 13.04.2007; Aktenzeichen 47 F 634/06) |
Tenor
1. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Entscheidungsrecht bezüglich der Auswahl der Schule betreffend das gemeinsame Kind der Parteien A. T., geboren am 23.2.2001, wird in Abänderung des Beschlusses des AG - FamG - Jena vom 13.4.2007 auf den Antragsteller übertragen.
2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Außergerichtliche Kosten beider Instanzen werden nicht erstattet.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
4. Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Das betroffene Kind A.T. ist am 23.2.2001 geboren. Die Kindeseltern waren nicht miteinander verheiratet. Sie gaben eine gemeinsame Sorgeerklärung ab.
Die Kindeseltern leben seit 2003 getrennt. Nach der Trennung waren zwischen Ihnen mehrere Sorgerechtsverfahren (elterliche Sorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Umgang) vor dem AG Jena anhängig. Nach Beteiligung des Jugendamtes, Bestellung einer Verfahrenspflegerin und Einholung eines Sachverständigengutachtens trafen die Parteien zur Beilegung sämtlicher anhängiger Verfahren am 9.12.2005 vor dem AG Jena im Verfahren 47 F 534/04 eine Vereinbarung, wonach bei Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Kindesmutter übertragen wurde.
Der Vater hat am 3.11.2006 beantragt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. auf sich zu übertragen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bd. I Bl. 1-22 d.A. verwiesen.
Die Mutter ist dem Antrag des Vaters entgegengetreten und hat ihrerseits beantragt, ihr die alleinige elterliche Sorge für A. zu übertragen.
Der Antragsteller hat drei weitere Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen zur elterlichen Sorge gestellt, die das AG mangels Regelungsbedürfnis zurückgewiesen hat.
Am 22.3.2007 hat das AG die Eltern, deren Verfahrensbevollmächtigte, das Kind A., die Verfahrenspflegerin, einen Vertreter des Jugendamtes und zwei behandelnde Ärzte des Kindes angehört. Es wird wegen der Einzelheiten auf Bd. II Bl. 218-222 d.A. verwiesen.
Wegen des weiteren Verlaufs des amtsgerichtlichen Verfahrens, insbesondere wegen der weiteren gestellten Anträge und Schriftsätze, wird auf die Verfahrensakten verwiesen.
Das AG Jena hat durch Beschluss vom 13.4.2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Entscheidungsrecht bezüglich der Auswahl der Schule der Mutter übertragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidung verwiesen.
Dieser Beschluss ist dem Vater am 18.4.2007 zugestellt worden. Dagegen hat er mit am 27.4.2007 bei dem AG eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, die mit am 7.5.2007 eingegangenem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten begründet worden ist. Zur Begründung hat er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere auf die seiner Ansicht nach nicht gewaltfreie Erziehung A. durch die Antragsgegnerin verwiesen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat mündlich verhandelt und die Beteiligten angehört sowie die Zeugin J.T. vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.8.2007 Bezug genommen.
Der Antragsteller hat zuletzt beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Entscheidungsrecht zur Auswahl der Schule zu übertragen. Die Antragsgegnerin hat auf Zurückweisung der Beschwerde angetragen.
II. Die Beschwerde ist gem. § 621e Abs. 1 ZPO i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des AG war nach den vom Senat durchgeführten Ermittlungen abzuändern und dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Entscheidungsrecht bezüglich der Auswahl der Schule zu übertragen.
Nach Auffassung des Senates ist die Vorschrift des § 1696 BGB vorliegend nicht anwendbar, da Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB zur Änderung gerichtlicher Anordnungen das Vorliegen einer familien- oder vormundschaftsgerichtlichen Entscheidun...