Leitsatz
Das betroffene Kind ist im Februar 2001 geboren. Die Kindeseltern waren nicht miteinander verheiratet. Sie hatten eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben und lebten seit 2003 voneinander getrennt. Nach der Trennung waren zwischen ihnen mehrere Sorgerechtsverfahren vor dem AG anhängig. Nach Beteiligung des Jugendamtes, der Bestellung einer Verfahrenspflegerin und Einholung eines Sachverständigengutachtens trafen die Parteien zur Beilegung sämtlicher anhängiger Verfahren am 9.12.2005 vor dem AG eine Vereinbarung, wonach bei Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter übertragen wurde. Der Vater beantragte am 3.11.2006, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind auf ihn zu übertragen. Die Mutter trat dem Antrag entgegen und beantragte ihrerseits, ihr die alleinige elterliche Sorge zu übertragen.
Mit Beschluss vom 13.4.2007 hat das erstinstanzliche Gericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Entscheidungsrecht bezüglich der Auswahl der Schule der Mutter übertragen. Hiergegen hat der Vater fristgemäß Beschwerde eingelegt und diese auch begründet. Zur Begründung verwies er insbesondere auf die seiner Ansicht nach nicht gewaltfreie Erziehung des Kindes durch seine Mutter.
Das Rechtsmittel des Vaters hatte Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG war die Entscheidung des AG nach den durchgeführten Ermittlungen abzuändern und dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Entscheidungsrecht bezüglich der Auswahl der Schule zu übertragen.
§ 1696 BGB sei vorliegend nicht anwendbar, da eine gerichtliche Entscheidung zum Sorgerecht nicht vorliege. Das Gericht habe sich den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich ausweislich des Protokolls nicht zu eigen gemacht und auch nicht in den Stand einer gerichtlichen Anordnung erhoben.
Die Abänderung des Vergleichs sei jedoch nach den getroffenen Ermittlungen gerechtfertigt. Ein Vergleich binde die Parteien grundsätzlich und sei nur dann abzuändern, wenn eine wesentliche Veränderung der Umstände eingetreten sei, nach denen einer Partei ein Festhalten daran nicht mehr zugemutet werden könne. Auf den vorliegenden Fall übertragen könne der Antragsteller eine Änderung der vergleichsweise vorgenommenen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Antragsgegnerin nur dann verlangen, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei, ohne dass allerdings die Eingriffsschwelle des § 1696 BGB erreicht sein müsse.
Die weiteren Ermittlungen des OLG hätten zu dem Ergebnis geführt, dass das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB bei dem Antragsteller besser gewährleistet sei.
Das Jugendamt habe Ermittlungen aufgenommen und das Kind im Kindergarten angehört, wobei es gegenüber der Jugendamtsmitarbeiterin geäußert habe, es werde zu Hause von der Mutter gehauen. Nach diesem bekannt gewordenen Sachverhalt habe der Verdacht einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls bestanden. Aus diesem Grund - jedenfalls aber unter dem Gesichtspunkt der Erziehungseignung der Antragsgegnerin - hätte sich das AG nicht darauf beschränken dürfen, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen. Es hätte den sehr konkret vorgebrachten Vorwürfen vielmehr im vorliegenden Verfahren nachgehen müssen. Die nicht gewaltfreie Erziehung der Mutter sei von dem Kind nicht nur gegenüber der Mitarbeiterin des Jugendamtes, sondern auch gegenüber der Verfahrenspflegerin bestätigt worden. Das Kind befinde sich in einem starken Loyalitätskonflikt, weil es beide Eltern erkennbar gleichermaßen liebe und ggü. der Verfahrenspflegerin deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass sie nicht entscheiden wolle, bei wem sie zukünftig lebe.
Nach dem im Vorverfahren eingeholten Sachverständigengutachten seien an sich beide Eltern gleichermaßen erziehungsgeeignet. Nach dem im Beschwerdeverfahren verifizierten Vorwurf, dass die Kindesmutter nicht gewaltfrei erziehe, entspreche dieses Verhalten der Mutter nicht den gesetzlichen Vorgaben eines Erziehungsstils, der entwürdigende Erziehungsmaßnahmen verbiete. Unter diesen Umständen sei dem Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Auswahl der Schule zu übertragen.
Link zur Entscheidung
Thüringer OLG, Beschluss vom 13.08.2007, 2 UF 150/07