Rn 23
Kein Stellvertreter ist, wer von einer Vertragspartei damit beauftragt wurde, den Abschluss eines Rechtsgeschäfts zu vermitteln oder ohne Abschlussvollmacht nur die Verhandlungen zu führen. Diese Personen bereiten den Vertragsschluss grds lediglich vor, ohne selbst rechtsgeschäftlich in Erscheinung zu treten (Ausn BGH WM 15, 1510 Rz 9: konkludente Bevollmächtigung zum Abschluss eines Beratungsvertrages beim Grundstückskauf). Während der Vermittler grds als ›Dritter‹ iSv § 123 II an dem Vertragsschluss beteiligt ist (BGH NJW 04, 2145, 2157; 96, 1051; abw für das verbundene Geschäft BGH WM 07, 1456 Rz 25), ist der Verhandlungsführer oder -gehilfe idR nur unselbstständige Hilfsperson der Vertragspartei, deren Aufgaben er übernimmt und in deren Pflichtenkreis er tätig wird (zur Eigenhaftung s aber BGH NJW-RR 06, 993 [BGH 13.12.2005 - KZR 12/04] Rz 14 ff u § 311 III). Bloße Abschlussvermittler sind der Zivil- (§§ 652 ff) und der Handelsmakler (§§ 93 ff HGB) sowie der Handelsvertreter (§§ 84 ff HGB), falls ihnen nicht zusätzlich auch eine Abschlussvollmacht erteilt wurde. Nur Verhandlungsgehilfe ist auch, wer zwar Vertretungsmacht hat, von ihr aber zB wegen eines Gremienvorbehaltes oder weil er das Geschäft aus internen Gründen nicht ohne die Zustimmung der Geschäftsleitung abschließen will, keinen Gerbrauch macht (BGH NJW 95, 1281 [BGH 14.02.1995 - XI ZR 65/94]). Auch bei der gesetzlichen Vertretungsmacht im kaufmännischen Bereich (zB §§ 55 IV, 56, 91 II HGB) ist stets entscheidend, ob die Hilfsperson von der Vertretungsmacht durch Abgabe oder Empfang einer Willenserklärung tatsächlich Gebrauch macht (Staud/Schilken Vorbem zu §§ 164 Rz 93). Verhandlungsgehilfe und Abschlussvermittler bereiten das Rechtsgeschäft mitunter bis zur Abschlussreife vor und haben daher oft entscheidenden Einfluss. Im Bereich des § 123 – und damit übertragbar dem des § 278 (BGH NJW 90, 1661, 1662 [BGH 08.12.1989 - V ZR 259/87]) – ist deshalb das Verhalten eines Verhandlungsführers oder -gehilfen dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn er dessen Angestellter, Mitarbeiter oder Beauftragter ist oder wenn er wegen seiner engen Beziehung zu diesem als dessen Vertrauensperson erscheint, denn der Verhandlungsführer oder -gehilfe ist in diesen Fällen nicht ›Dritter‹ iSv § 123 II (BGH NJW 20, 3312 [BGH 09.06.2020 - VIII ZR 315/19] Rz 17 f; 03, 424, 425; allerdings unter Rückgriff auf § 166 I BGHZ 168, 64 Rz 8; s.a. § 123 Rn 29, § 278 Rn 18). Das Gleiche gilt, wenn ein Vermittler, zB ein Makler sich nicht auf das für die Durchführung seines Auftrages Notwendige beschränkt, sondern mit Wissen und Wollen einer Vertragspartei dieser typischerweise obliegende Aufgaben übernimmt und somit neben seiner Vermittlungstätigkeit auch als Hilfsperson in dem Pflichtenkreis dieser Vertragspartei tätig wird (s § 123 Rn 28). Wann das der Fall ist, kann nur aufgrund einer die Interessen beider Parteien wertenden Betrachtung der Einzelfallumstände entschieden werden (BGH WM 00, 2539, 2540). Maßgeblich ist dabei nicht, ob dem Vermittler für die Verhandlungen Vertretungsmacht eingeräumt wurde. Auch wenn eine Vertragspartei die wesentlichen Vertragsverhandlungen einem Vermittler als ihrem Repräsentanten vollständig überlassen hat, muss sie sich dessen Verhalten zurechnen lassen (BGH NJW 04, 2156, 2157; WM 00, 2539, 2540). Das gilt für das pflichtwidrige Verhalten eines Finanzierungsvermittlers, der nicht ausschließlich ›im Lager‹ des Kapitalanlegers steht (BGH WM 08, 1593 Rz 24), sondern (auch) als Verhandlungsgehilfe einer finanzierenden Bank auftritt, aber nur, soweit es den Bereich der Anbahnung des Kreditvertrags betrifft, nicht aber, soweit es sich auf das finanzierte Geschäft und insbes auf die Rentabilität der Anlage bezieht (BGH WM 13, 924 Rz 21; 08, 115 Rz 28). Wie bei der Botenschaft kann zudem Stellvertretungsrecht entspr Anwendung finden. Dies gilt insb für § 166 (s § 166 Rn 16 f) und die §§ 167 1, 168 (BGH NJW-RR 91, 439, 441).